Wissen auf einen Blick - Ozeane und Tiefsee
außergewöhnlich hohen Temperaturen eine Algenbleiche erlebt hatten. Genau wie auch ein Vermieter in einer Menschenstadt aber einige Zeit braucht, um einen ungeliebten Mieter loszuwerden, braucht auch der Untermietertausch bei den Korallen seine Zeit. Erwärmt der Klimawandel das Wasser also zu schnell, kommen die Korallen nicht mit, bleichen aus und sterben ab.
Die Unterwasseraufnahme zeigt Korallen vor der Insel Guam, die zum Teil ausgebleicht sind. Das Phänomen der Korallenbleiche kann zum Absterben ganzer Korallenriffe führen
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(c) NOAA/David Burdick
Zerschlagene Riffe
Fischtrawler zerstören die Korallen der Tiefsee
Europas Korallen bergen bis heute noch etliche Geheimnisse. Unklar ist z. B., wie alt die beeindruckenden Riffe in den Tiefen des Atlantiks genau sind. Man weiß, dass Kaltwasserkorallen sehr langsam wachsen. Bis ein Korallenast 2 cm dick geworden ist, können durchaus 400 Jahre vergehen. Mehrere Hundert Meter hohe Hügel müssen daher uralt sein. Proben von der Oberfläche der irischen Riffe haben Experten auf ein Alter von mindestens 10 000 Jahren datiert. Darunter aber liegen noch 300 m Kalkmaterial, das wesentlich älter ist. So ein Riff kann also leicht mehrere Hunderttausend Jahre alt sein.
Tonnenschwere Netze
Über diesen historischen „Korallenstädten“ sammeln sich oft große Fischschwärme. So recht erklären kann das bisher niemand. Klar ist nur, dass die Fischer dieses Phänomen auch kennen. Für sie sind die beutereichen Riffregionen also besonders interessant. Bestimmte Fischereipraktiken aber können für die Tiefseeriffe verheerende Folgen haben, warnen Wissenschaftler und Naturschutzorganisationen wie der World Wide Fund for Nature (WWF). Was in Jahrtausenden gewachsen ist, lässt sich damit in wenigen Stunden zerstören. Auf der Jagd nach am Boden lebenden Tieren setzen Fischer häufig sogenannte Grundschleppnetze ein. Mit tonnenschweren Ketten werden diese zerstörerischen Geräte über den Meeresgrund gezogen, manche pflügen sich sogar mehrere Zentimeter tief durch Sand und Schlamm. Für die am Boden lebenden Tierarten ist das natürlich fatal: Sie werden häufig zerquetscht oder so tief ins Sediment gedrückt, dass sie nicht überleben können. Doch auch die Tiefseeriffe leiden massiv unter dieser Form der Fischerei. Wenn das schwere Gerät gegen Korallenstöcke stößt, haben die filigranen Kalkgebilde keine Chance. Oft bleiben davon nur noch armselige Trümmer übrig.
Rettung für die Darwin Mounds
Im Jahr 1998 entdeckten Wissenschaftler etwa 185 km nordwestlich von Schottland eine beeindruckende Unterwasserwelt. 1000 m unter dem Meeresspiegel wuchsen auf den sogenannten Darwin Mounds zahllose Riffe der Kaltwasserkoralle
Lophelia pertusa.
Wie viele ähnliche Ökosysteme litt auch dieses Korallenparadies unter zerstörerischen Fischereipraktiken. Doch im Jahr 2004 beschlossen die europäischen Fischereiminister, die Darwin Mounds unter Schutz zu stellen und die Fischerei mit Grundschleppnetzen dort zu verbieten
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Schutz vor der Zerstörung
Viele dieser Schäden bleiben in der schwer zugänglichen Tiefsee unentdeckt. Doch wer in das dunkle Unterwasserreich vordringt, bekommt häufig auch die Spuren der Fischtrawler zu sehen. Vor Irland und Norwegen z. B. haben Forscher beschädigte und mit Schleifspuren übersäte Korallenstöcke, alte Netze und andere Zeichen der Zerstörung dokumentiert. Wie groß der Schaden für Europas Korallen insgesamt ist, lässt sich nur vermuten. In den relativ gut erforschten norwegischen Riffen gelten nach Angaben des WWF jedenfalls schon 30 – 50% der Korallen als geschädigt oder ganz zerstört.
Inzwischen aber hat die Vernichtung der Tiefseeparadiese die Politik auf den Plan gerufen. Norwegen war das erste Land, das Korallenschutzgebiete ausgewiesen hat, in denen nicht gefischt werden darf. Auch Länder wie Irland und Großbritannien schränken inzwischen die Fischerei mit Grundschleppnetzen ein, damit die uralten Riffe Europas eine Zukunft haben.
Auf dem neuseeländischen Trawler „Recovery“ wird ein Grundschleppnetz eingeholt
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(c) Greenpeace/Roger Grace
Mensch und Riff
Korallen in der Zange
Gesund sind viele Korallenriffe schon lange nicht mehr. So schwemmt der Regen von den Bananenplantagen an Australiens Küsten und von vielen anderen Feldern auf der Erde immer mehr Düngemittel ins Meer. Diese zusätzlichen Nährstoffe versorgen jede Menge Unterwassergewächse, die bald die Korallen zu überwuchern beginnen.
Schlamm
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