Wissen auf einen Blick - Philosophen
nicht wissen können, wie die Dinge wirklich sind, müssen wir uns aller Urteile enthalten (griech.
epoche
). So werden wir Gleichmut (griech.
apathia
) und schließlich das höchste Gut und einzig wahre Glück erlangen: die Seelenruhe (griech.
ataraxia
). Mittels epoche über apathia zur ataraxia: der pyrrhonische Dreischritt.
Prinzip Zweifel
Das Prinzip des systematischen Zweifels und die Denkfigur der Urteilsenthaltung haben unzählige Philosophen inspiriert, von Epikur (um 341–270 v. Chr.) über René Descartes (1596–1650) und Michel de Montaigne (1533–1592) bis Edmund Husserl (1859–1938). Der englische Bischof George Berkeley (1685–1753) leugnete nicht nur, dass wir etwas von der Wirklichkeit wissen können, sondern sogar, dass es überhaupt eine von unserer Wahrnehmung unabhängige Außenwelt gebe. „Sein“ ist nichts anderes als „Wahrgenommenwerden“, so Berkeley.
Der vielleicht konsequenteste Anhänger Pyrrhons aber war der Astronom Theodosius. Er sprach sich dagegen aus, den Skeptizismus Pyrrhonismus zu nennen. Keiner kenne schließlich die Gedanken eines anderen, und so könne auch niemand sicher wissen, was Pyrrhon in Wahrheit gedacht habe. So viel Zweifel zeichnet Theodosius vor allen selbsterklärten Erben Pyrrhons aus. Sein Argwohn wiegt schwerer als tausend Treueschwüre. Er hat den Meister als Einziger beim Wort genommen.
Wie schon Pyrrhon wusste, lässt sich unsere Wahrnehmung leicht täuschen. Von der Kunst Alberto Giacomettis inspiriert, entwarf der US-amerikanische Künstler Jonathan Borofsky (*1942) 1995 die Figur „Walking Man“, die in der Münchner Leopoldstraße steht. Die 17 m hohe Skulptur wirkt in ihren Proportionen für das Auge zwar stimmig, die Verhältnisse sind jedoch auch hier verzerrt
.
(c) Interfoto, München
Hedonismus – Anfang der Spaßgesellschaft?
Epikur (341–270 v. Chr.)
Fast alle Philosophenschulen haben nach dem “höchsten Gut” gefragt, das um seiner selbst willen erstrebt wird. Die Antwort des griechischen Philosophen Epikur und seiner Anhänger lautet: Die Freude ist das höchste Gut. Alles andere müsse in ihren Dienst gestellt werden. Nach ihrem Begründer Epikur ist diese Geisteshaltung als Epkureismus bekannt geworden. Andere bezeichnen die Lehre Epikurs nach dem griechischen Wort für Freude bzw. Lust (
hedone
) als Hedonismus. Epikurs Schule gehört zu den einflussreichsten Denkrichtungen der klassischen Antike und ist oft zu Unrecht auf das „Lustprinzip“ verkürzt worden.
Zwar beantwortet der Hedonismus die Frage nach der richtigen Lebensweise mit der Faustregel: Schmerz vermeiden, Lust gewinnen. Allerdings denken bei Lust beileibe nicht alle Vertreter des Hedonismus an Wein, Weib und Gesang, am wenigsten Epikur selbst.
Wer seine Philosophie mit Lotterleben und Spaßgesellschaft in Verbindung bringt, wird seinem Vermächtnis nicht gerecht. Epikur war nach allem, was wir wissen, das Gegenteil eines Lebemanns. Er lehnte das Luxusstreben als Quelle unnötiger Sorgen ab und betrachtete vielmehr die Philosophie als Königsweg, um mit sich selbst und der Welt ins Reine zu kommen.
Himmel auf Erden
Seine Schriften sprechen eine denkbar klare Sprache. Anders als viele Philosophen seiner Zeit glaubt er nicht an die Unsterblichkeit der Seele. Einem seiner Schüler schreibt er: „Der Tod hat keine Bedeutung für uns; denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da.“ Weil Epikur kein Leben nach dem Tod erwartet, wendet er seine ganze Aufmerksamkeit dem Diesseits zu. In Lehrsprüchen, Briefen und nur teilweise erhaltenen systematischen Texten errichtet er ein Gedankengebäude, in dessen Zentrum das gute Leben steht. Darunter ist allerdings kein Glückstaumel oder Sinnenrausch, sondern die größtmögliche Seelenruhe zu verstehen.
Der erste Pragmatist
Epikur hat ein sehr praktisches Verständnis von Philosophie. Wenn sie nicht hilft, Schmerzen zu lindern und die überall lauernde Furcht zu überwinden, ist sie nutzlos. Damit ist Epikur ein früher Ahne des Pragmatismus. Neopragmatisten wie der jüngst verstorbene Richard Rorty (1931–2007) bewerten jede philosophische Anstrengung und selbst religiöse Dogmen danach, ob sie zu einer besseren Welt führen
.
Kernziel der Philosophie des Epikur ist die Erkenntnis möglicher Beeinträchtigungen des Seelenfriedens und die Entwicklung von Strategien zu deren Vermeidung. Dazu gehört neben der Freundschaft mit Gleichgesinnten auch ein
Weitere Kostenlose Bücher