Wissen auf einen Blick - Philosophen
dpa/Picture-Alliance, Frankfurt
Der kategorische Imperativ
Immanuel Kant (1724–1804)
Das Gewissen ist die volkstümliche Stimme der Moral, und lange haben es auch die Philosophen zur Richtschnur des menschlichen Handelns erhoben. Sokrates berief sich in seiner Verteidigungsrede ebenso auf das Gewissen wie Abaillard in seiner „Ethica“, und Shaftesbury erklärte in seiner „Untersuchung über die Tugend“ den moral sense zum Maßstab des Guten. Gewissen, Scham und Reue sind sichere Anzeichen, dass meine Handlungen wirklich meine sind, aber lassen sich aus ihrem Auftreten auch allgemeine Regeln ableiten? Immanuel Kant war auf der Suche nach einem Handlungsmaßstab, der von der inneren Stimme des Einzelnen, aber auch von den jeweils geltenden Gesetzen unabhängig ist. Im Zentrum seiner Moralphilosophie steht die Frage „Was soll ich tun?“
Das moralische Gesetz
Im Herzen war der kritische Königsberger ein moralischer Schwärmer. So enthält seine „Kritik der praktischen Vernunft“ eine Lobrede auf die Pflicht und schließt mit den Worten: „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer Bewunderung und Ehrfurcht: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.“
Das bedingungslose Gebot
Kants Antwort in der „Kritik der praktischen Vernunft“ (1781) lautet: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“ Diese Formel bezeichnet Kant als „kategorischen Imperativ“, als bedingungsloses Gebot, das unabhängig von den Umständen gilt. Kant liegt an der Verallgemeinerbarkeit unserer Maximen, an einem „bloß formalen“ Gesetz, um die Moral gegen den Wandel der Sitten und Gesinnungen zu wappnen. Unmoralische Maximen führen, so Kant, zu Widersprüchen und entkräften sich selbst. Wer zum Beispiel ein Versprechen bricht, untergrabe damit den Begriff des Versprechens. Aber eine solch rein formale Moral hat eine Schwachstelle: Was, wenn ich mir ohne Schwierigkeiten eine Gesellschaft ohne Versprechen vorstellen kann und die Leichtgläubigkeit meiner Mitmenschen ausnutze, so lange es geht? Reicht ein „bloß formaler“ Imperativ gegen solche Arglist aus, ohne dass man konkrete Werte hinzuzieht, wie sie in den Geboten des Alten Testaments oder in der Bergpredigt formuliert werden? Um dieses Leck zu stopfen, hat Kant dem Imperativ in der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ (1785) einige ergänzende Formulierungen beigegeben. Die wichtigste davon lautet: „Handle so, dass du die Menschheit jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ Jeder Mensch sei als vernünftiges Wesen ein „Zweck an sich selbst“. Daher dürfe niemand einen anderen Menschen leichtfertig gefährden oder in seiner Freiheit einschränken, um ein Ziel zu erreichen, das außerhalb der Person des anderen liegt, etwa zur eigenen Bereicherung.
Kants Kritiker
Kant ist aus zwei Richtungen angegriffen worden. Die einen, darunter Arthur Schopenhauer (1788–1860), werfen ihm vor, sein formaler Imperativ reiche als Grundlage der Moral nicht aus. Die anderen beklagen, dass er die moralische Strenge zu weit treibe. Denn guten Taten, die uns ohne Überwindung innerer Widerstände gelingen, spricht Kant den moralischen Wert ab. Eine wirklich tugendhafte Handlung haben ihren Grund allein im „Respekt vor dem Gesetz“. Zu den Kritikern dieser These gehörte der Philosophiestudent Friedrich Schiller (1759–1805), der 1797 unter dem Titel „Gewissensskrupel“ schrieb: „Gerne dien ich den Freunden, doch tu ich es leider mit Neigung, und so wurmt es mich oft, dass ich nicht tugendhaft bin.“
Altersporträt, Immanuel Kant darstellend, aus dem Jahr 1789, Farbdruck nach einer Zeichnung von Hans Veit Friedrich Schnorr von Carolsfeld (1764–1841). Im Nachlass des Malers finden sich folgende Wort Kants: „Sie werden an meinem Gesichte zweierlei Seiten finden, die eine magerer als die andere. (…) Ich habe eben über die Verschiedenheit meines Gesichts nachgedacht, und wenn ich eine Ursache derselben angeben sollte, so wüsste ich keine andere, als dass ich von Jugend an bis heute bei offenem Fenster so wie immer auf einer und derselben Seite liegend geschlafen habe.“ Die meisten Kant-Porträts zeigen sein linkes Profil
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