Wissen auf einen Blick - Philosophen
fortzuführen, warf Fichte einen der zentralen Lehrsätze Kants über Bord. Kant unterschied zwischen den „Dingen an sich“ – wie sie objektiv existieren – und den „Phänomenen“, d. h. den subjektiven Wahrnehmungen, die der Einzelne von ihnen hat. Fichte erklärte die „Dinge an sich“ für irrelevant. Entscheidend sei nur die eigene Wahrnehmung. Für Fichte war das ein Akt der Befreiung. Er war der Meinung, man müsse sich entscheiden: Entweder könne man als Dogmatiker glauben, die äußeren Dinge besäßen absolute Realität, deren Produkt dann auch das menschliche Bewusstsein sei. Oder man entscheide sich für den Idealismus und setze sich selbst über die Dinge, was bedeutet, dass diese ihrerseits vom menschlichen Bewusstsein abhängen. Einen Mittelweg gab es für ihn nicht.
Das Bewusstsein bestimmt das Sein
Während später Karl Marx (1818–1883) erklärte, das Sein bestimme das Bewusstsein – also die Lebensumstände das Denken –, war Fichte vom genauen Gegenteil überzeugt. Nur wer Erkenntnis als stetige, konsequente Tat ansehe, die das eigene „Ich“ als Ausgangspunkt setzt und sich dann auf ein selbst definiertes „Nicht-Ich“, also das Äußere, richte, könne wirklich autonom handeln. Da das Ich reine Tätigkeit sei, müsse es sich das Äußere setzen, damit es daran tätig werden könne.
Der deutsche Idealismus
Johann Gottlieb Fichte ist mit Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854) und Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) einer der Hauptvertreter des Deutschen Idealismus. Seine Vertreter waren überzeugt, die Ideen und nicht die „Dinge an sich“ seien entscheidend für die Erkenntnis. Idealistisch waren sie jedoch auch im heutigen Sinne des Wortes, da sie glaubten, dass diese „Ideen“ zwangläufig zur Entscheidung für ein „sittliches und vernünftiges“ Leben führen müssten
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Fichte war der Meinung, dass es auf dem umgekehrten Weg, also von außen nach innen, keine Erklärung für das Bewusstsein gäbe. Wenn man aber die Dinge vom Denken herleite, könne man zwar nicht auf die Dinge selbst, jedoch auf unsere Vorstellung von den Dingen schließen.
Obwohl Fichte immer um Verständlichkeit bemüht war, trug seine Ausdrucksweise ihm oft Spott ein. So pflegte beispielsweise Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) Fichte in Briefen als „Liebes Nicht-Ich“ anzureden.
1791 lud Immanuel Kant seinen Bewunderer Fichte zu einem Besuch nach Königsberg ein. Zeitlebens verbanden die Philosophen ihre Gedanken zur Wissenschaftslehre. Holzschnitt des 19. Jahrhunderts
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(c) Interfoto, München
Der Mensch im Mittelpunkt
Friedrich Schleiermacher (1768–1834)
Was ist Religion? Religion, sagt Friedrich Schleiermacher, ist das Bewusstsein des Menschen für die Unendlichkeit. Und dieses Gefühl existiert. Es ist bei dem einen Menschen stärker, bei dem anderen schwächer ausgeprägt, es äußert sich in den verschiedenen Glaubensrichtungen und persönlichen Vorstellungen, und es werden die unterschiedlichsten Konsequenzen daraus gezogen. Aber dieses Gefühl ist eine Tatsache, die jenseits von Vernunft und Emotionen im Menschen angelegt ist und ernst genommen werden sollte – auch deshalb, weil das Bewusstsein für das Unendliche nicht einfach verschwindet, auch wenn konkrete Religionen an Bedeutung verlieren.
Religion, so Schleiermacher weiter, hat zunächst einmal nichts mit Theologie zu tun. Denn das Bewusstsein des Unendlichen entstehe unabhängig davon, wie viel jemand über eine bestimmte Konfession weiß. Es hat auch nicht grundsätzlich etwas mit Moral zu tun, denn aus einem religiösen Gefühl heraus können sowohl die besten als auch die schrecklichsten Taten verübt werden. Das Bewusstsein für das Unendliche ist nach Schleiermacher ein Gefühl der „schlechthinnigen Abhängigkeit“ von dieser Unendlichkeit – etwas Existenzielles also.
Aufklärer und Liberaler
Schleiermacher selbst war protestantischer Priester und zu seiner Zeit der beliebteste Prediger von Berlin. Der Philosoph Wilhelm Dilthey (1833–1911) nennt ihn die „Mitte aller Bestrebungen seiner Generation“. Schleiermacher vereinte aufgeklärtes Denken mit der romantischen Wertschätzung der Gefühle. Er trat für politischen Liberalismus, einen demokratischen Staat, ein gutes Bildungssystem und moderne Pädagogik ein. Von ihm gingen beispielsweise entscheidende Impulse für die Gründung der Berliner Universität aus. Naturwissenschaftlicher Fortschritt und religiöse Gefühle waren
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