Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition)
Ihre Bewegungen waren zugleich fließend und leicht verschoben, als käme ein Teil ihres Abbildes nicht hinterher. „Du träumst nicht, Seth. “ Sie ließ sich im Schneidersitz nieder und streckte die Hände aus. „Komm, sag Hallo und gib mir einen Namen.“
„Hast du denn keinen? “ Vorsichtig setzte er sich ihr gegenüber und berührte ihre Fingerspitzen mit seinen. Erneut kroch Wärme in seinen Körper. In seinem Geist erschienen unzählige Türen, und alle flogen gleichzeitig auf und ermöglichten den Blick in die unterschiedlichsten Räume und Landschaften. Seth erfasste für den Bruchteil eines Augenblicks Hunderte fremde, verschwommene Gesichter und leise Geräusche. Als würde er tausend Leben auf einmal berühren, und sie ihn.
Sein Gegenüber lachte erfreut. „Oh, im Gegenteil. Ich habe so viele Namen, dass ihr Hexen schon ganz verwirrt seid, mit welchem ihr mich rufen sollt. Namen sind für mich bedeutungslos, aber ich höre dich, wenn du mich rufst. Also, welcher soll es sein? “
Seth sah sie an, versuchte, ihre überirdische und zugleich vollkommen normale Erscheinung zu begreifen. „Du erinnerst mich ein bisschen an meine Tante Diane. “
„Sie starb an Krebs, als du elf warst. “
Er war nicht überrascht, dass sie das wusste. „Ja … ich hatte sie gern.“
„Dann nenn mich Diane, Seth. Es ehrt mich, dass ich dich an sie erinnere. “
„Okay ...“ Seth sah sich um. Die Türen aus seinem Kopf befanden sich um ihn herum im Wald. Sie waren immer noch offen, lockten immer noch verführerisch mit dem, was dahinter lag. „Was ist das?“
„Das bist alles du. “ Diane erhob sich wieder und zog Seth mühelos auf die Füße. „Das sind all die Möglichkeiten, die du hast. In jeder Sekunde deines Lebens triffst du Entscheidungen oder entwickelst Wünsche, und sie alle könnten in Erfüllung gehen.“
„ Alle ?“ Ungläubig deutete Seth auf einen Elefanten, der vor dem dichten Grün eines Dschungels gemächlich dahinging und ihn auf dem bloßen Rücken trug.
„Jede einzelne. Aber desha lb wollte ich dich nicht kennenlernen.“ Sie ging zum Bach, wo die Klinge steckte. „Ich wollte herausfinden, wer der kleine Hexer ist, der die Blackwoods so auf die Palme bringt.“
„Ich bin doch kein Hexer “, protestierte Seth. „Und ich wollte mich auch nicht mit denen anlegen.“
„Doch, das wolltest du. “ Diane zwinkerte und zog das Messer aus dem Sand. Sie strich mit der Hand darüber und summte wohlig. „Mmh, ein gutes Stück. Es stammt von Brianna, der letzten weißen Hexe aus Blackwood Springs. Es ist gereinigt und wird dir gute Dienste leisten.“ Das Messer leuchtete auf, in genau den Farben, die auch Dianes Augen hatten. „Versprich mir aber bitte eines, Seth.“
„Was denn? “ Fasziniert ließ er zu, dass sie seine Hand nahm und um den nackten Klingengriff legte. Es prickelte und kribbelte wohlig und sein ganzer Körper überzog sich mit Gänsehaut.
„Bitte misch dich nicht ein, wenn du nicht darum gebeten wirst, und bitte mach es den Blackwoods nicht so schwer. Sie haben gerade große Sorgen. Meinst du, dass du das kannst? “
Seth atmete tief ein und wieder aus, um die Spannung, die vom Messer in ihn hineinlief, auszuhalten. „Und wie ich das kann “, sagte er inbrünstig. „Ehrenwort.“ Er log nicht einmal; nichts alarmierte seinen Selbsterhaltungstrieb mehr, als sich mit den Problemen wildfremder Leute zu beschäftigen, vor allem, wenn diese wildfremden Leute auch noch blutrünstige Sagengestalten waren.
Dianes Lächeln wurde weit und in ihren dunklen Augen funkelten Sterne. „Ich danke dir, Seth. “ Sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Und nun kehre nach Hause zurück. Dein Vater und dein toter Freund macht sich langsam Sorgen um dich. Und bitte grüß Claire und Gretchen von mir. Sie sind immer so schüchtern!“
„Uhm, okay. Auf Wiedersehen … Diane.“
Sie winkte, während sie sich von ihm entfernte. Ihre Konturen verschwammen und der Bach sowie die unzähligen offenen Türen rückte n immer weiter von Seth fort, obwohl er wie festgewurzelt am Ufer stand. Das Messer fiel ihm aus der Hand und mit der Spitze voran zurück ins Wasser. Er wurde durchgeschüttelt und eine harte, männliche Stimme drang durch den Nebel in seinem Kopf.
„Morgan! Wach auf! Morgan !“
Seth schrak auf. Zu seinem großen Glück wich derjenige, der ihn an den Schultern rüttelte zurück, sonst hätten sie sich beide eine blutige Nase geholt.
„ Was ?“, rief er
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