Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
sehr gepflegt«, murmelte Whit und machte ein betrübtes Gesicht. »Kein Hokuspokus? Nicht mal ein bisschen?«
»Nicht mal ein ganz klein bisschen«, bestätigte Jonathan. »Alles klar. Dann besuchen wir mal den Feind.«
Wisty
Das Erste, was mir in der Stadt des Fortschritts auffiel, war Der Eine, Der Der Einzige Ist. Er war überall. Er starrte von Plakaten, Bildnissen, Displays, Zeitungstitelseiten, Wandgemälden. Was war das bloß für ein Knallkopf? Ich hatte immer gedacht, solche Gestalten würden nur sonst wo an die Macht kommen, in Geschichtsbüchern und Fantasy-Romanen.
Ich hatte nicht geahnt, wie nah sich Realität und Fantasie waren.
Als Nächstes fiel mir die frische Farbe auf. Überall duftete es nach frischer Farbe. Der Geruch verfolgte einen auf Schritt und Tritt. Alles war sauber und geschniegelt. Es waren kaum Kids zu sehen und alle Erwachsenen, denen wir über den Weg liefen, musterten uns kritisch. Whit und ich schauten uns zur Sicherheit Jonathans lammfrommes Lächeln ab.
Wohin man auch blickte, entdeckte man Hinweise auf das neue Regime. Zum Beispiel die Aufkleber auf den Stoßstangen der hellen, polierten Geländewagen und Minivans: YES ZUR N. O. ! WER ETWAS SIEHT, MUSS ETWAS SAGEN! KEINE MACHT DER KUNST! Aber am erschreckendsten fand ich den hier: UNSER SOHN IST EIN VORBILDLICHER JUNIORINFORMANT DER NEUEN ORDNUNG.
»Oh Gott«, flüsterte ich, als ich ein einstöckiges Gebäude mit verchromter Fassade erblickte. »Ein Schnellrestaurant!« Ich malte mir aus, eine Pommes frites im Mund zergehen zu lassen. Meine Knie wurden weich. »Können wir da reingehen? Bitte? «
»Ich glaube, wir können es riskieren«, meinte Jonathan. »Aber denkt an eure Manieren. Denkt an die Neue Ordnung.«
Fast alle roten Kunstleder-Sitznischen waren besetzt. Lauter Erwachsene, kaum Jugendliche. Ein Typ mit einer gestärkten Kappe auf dem Kopf polierte eine blendend weiße Theke, immer wieder aufs Neue. Als wir uns auf die Barhocker vor ihm setzten, knurrte mein Magen. Wie peinlich.
»Ja?«, fragte der Typ. »Was darf’s sein?«
»Ach, ich kann mich kaum entscheiden, Sir.« Ich versuchte, möglichst viel schleimige Wieseligkeit und Jonathankeit auszustrahlen. »Vielleicht ein Malzbiershake und ein Deluxe-Cheeseburger? Das wäre sehr freundlich.«
»Wisty?«, hauchte Whit und beugte sich so dicht zu mir, dass ich seinen warmen Atem an meinem Ohr spürte. »Fühlst du das auch? Irgendwas … Seltsames ?«
So lässig wie möglich drehte ich mich auf meinem Barhocker im Kreis und blickte mich um.
Aber ich sah nur Menschen, die Burger und Pommes futterten und an Milchshakes nuckelten. Die Jukebox spielte die Hymne der Neuen Ordnung, ein monotoner Trommelrhythmus, der vom unpassenden Gejaule einer Emo-Diva begleitet wurde. Widerlich. Wenn Marschmusik schon als Pop durchging, musste man sich wirklich Sorgen machen.
Da bemerkte ich einen bestimmten Gast – eine Frau mit dicker Wimperntusche und hoch aufgetürmtem Haar. Sie warf mir einen seltsamen Blick zu, bevor sie sich wieder ihren Begleiterinnen widmete, zwei Damen mittleren Alters, ebenfalls mit Monsterfrisuren und massenweise Schminke.
»Ja«, flüsterte ich. »Die mit der dornigen Dauerwelle. Und ihre beiden Doppelgängerinnen. Die beobachten uns.«
»Das ist eine Hexe« , sagte eine Stimme hinter mir.
Ich erstarrte mitten in der Drehstuhlumdrehung. Die Härchen auf meinen Unterarmen stellten sich auf wie winzige Science-Fiction-Soldaten.
Der Barmann unterbrach sein zwanghaftes Thekenputzen und runzelte die Stirn, als hätte jemand eine Pistole abgefeuert. »Wie bitte, Mrs Highsmith?«
»Das Mädchen mit dem abscheulichen roten Haar ist eine Hexe«, sagte Mrs Highsmith – die Frau, die mich so seltsam angeschaut hatte. Sie klang sehr energisch. »Und mit dem blonden Jungen da – mit dem hübschen – stimmt auch etwas nicht.«
Sie wusste, dass ich eine Hexe war. Weil sie selber eine war.
Wisty
»Das sagt die Richtige!«, erwiderte ich …
… natürlich nicht. Seit meiner Verhaftung und meinem amtlichen Todesurteil hatte ich gelernt, dass ein bisschen Selbstkontrolle ab und zu nicht schaden konnte. Deshalb machte ich große, unschuldige Augen und legte die beste schauspielerische Leistung meines Lebens hin.
»Wo!?«, rief ich entsetzt und ließ meinen Stuhl erneut kreisen, blickte mich im ganzen Schnellrestaurant um und begutachtete jeden Gast ängstlich.
»Meine Schwester ist doch keine Hexe!« Whit setzte ein überzeugend
Weitere Kostenlose Bücher