Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
vorne.
»Wo?«
Da sah ich, was er meinte … leider zu spät.
W HIT
Ich stieg auf die Bremsen. Und stellte fest, dass Bremsen augenblicklich versagen, wenn man in einem schweren Lieferwagen voller Kids eine steile Treppe hinunterrattert .
Hinten schrien die Kids, als wären sie von einem Massenmörder in eine selbst gebastelte Achterbahn geschnallt worden. Ich hatte ungefähr eine Viertelsekunde Zeit, mich zu fragen, ob sie jetzt nicht doch lieber im Knast wären und grau gestreifte Kinderoveralls anprobieren würden.
Dann rüttelte es uns so heftig durch, dass kein Mensch mehr klar denken konnte.
Es ging runter, runter, runter!
Kabumpf, kabumpf, kabumpf!
Woran liegt das eigentlich, dass die Zeit wie im Fluge vergeht, wenn man Spaß hat, und praktisch stehen bleibt, wenn man hinterm Steuer eines Lasters sitzt, der mit einer Wagenladung panischer Kids eine Treppe hinunterpoltert? Die Gesetze der Physik sind echt unfair.
»Was sollte das denn?« , brüllte ich Emmet an. »Hier geht’s in die U-Bahn!«
»Ganz genau!«, schrie Emmet, um das Kabumpfen der geplagten Stoßdämpfer zu übertönen, die leider keinen einzigen Stoß dämpften. Das Geschrei der Kids schwoll rhythmisch an und ab, wie ein explosiver Schluckauf. »Das ist eine andere verlassene U-Bahn-Linie! Wir fahren die Gleise entlang zu einem Portal, das uns nach Hause bringt!«
Das klappt nie im Leben , dachte ich, als wir ein paar Mal mächtig durchgeschüttelt wurden – wir hatten die Drehkreuze der Ticketkontrolle abgeräumt –, auf den Bahnsteig bretterten und in quälender Zeitlupe zur Seite schlidderten, immer näher an die Kante heran …
Alle brüllten entsetzt auf, als der Wagen für ein paar grausam lange Sekunden auf dem äußersten Rand des Bahnsteigs tanzte – und wie ein tonnenschwerer Betonklotz auf die Gleise plumpste.
Das Anti-Vergnügungspark-Geschrei verstummte. Auf einmal herrschte bleierne Stille. Ich fühlte mich, als wären wir aus einer Popcornmaschine entkommen.
Wir standen mitten auf den U-Bahn-Gleisen. Unsere angeknacksten, schiefen Scheinwerfer leuchteten in die gähnende Dunkelheit. Ich stellte den Motor ab und starrte Emmet wortlos an.
»Hat doch geklappt«, brach seine zitternde Stimme das drückende Schweigen. »Gar kein Problem.« Sein Gesicht war weiß wie das einer Marmorstatue.
»Alles okay dahinten?«, krächzte ich.
»Ja, aber bitte machen Sie das nicht noch mal«, sagte ein Kind mit tränenerstickter Stimme. »Bitte, Mister.«
»Das Schlimmste haben wir hinter uns«, meinte Emmet. »Jetzt können wir gemütlich die Gleise entlangfahren. Hier unten sucht keiner nach dem Wagen oder den Gefangenen. Und eine Abzweigung weiter hinten führt direkt zum Portal.«
Ein leises, lang gezogenes Pfeifen hallte durch die Dunkelheit.
»Das ist ein Zug«, erklärte Emmet. »Aber der ist weit weg. Okay, es geht weiter.«
Als ich nach dem Zündschlüssel tastete, blickte ich aus purer Gewohnheit in den Seitenspiegel.
Hinter uns zerteilte ein einzelnes helles Licht die Dunkelheit.
Mein Herz geriet ins Stolpern. Ich wandte mich an Emmet. »So weit ist er nun auch wieder nicht weg.«
»Wer?«, fragte Emmet.
»Schau mal in den Rückspiegel.«
Aber das war nicht nötig. Als die Kids schrien, wusste er, was Sache war.
Wisty
Solltet ihr jemals am Rande des Todes schweben – oder am Rande eines unbeabsichtigten ewigen Lebens als Nagetier –, hätte ich da einen Tipp: Kinderlieder. Nichts hebt die Stimmung so sehr wie Kinderlieder. Und wenn ich schon ein Regenrohr hinaufkrabbelte, wäre es doch schade gewesen, nicht das fröhliche Lied von der »Imse, Bimse Spinne« anzustimmen! An der Stelle, wo der Regen runterkam und der Faden riss , kicherte ich nervös. Doch ich kletterte weiter.
Das Regenrohr führte in eine Regenrinne. Logisch, was? Ich huschte am Dach des Gefängniskomplexes entlang, bis ich ein Lüftungsgitter fand, genau wie es im Grundriss auf Janines Computer eingezeichnet war.
Das lief doch hervorragend. Ich quetschte mich ins Innere und rannte durch den Schacht zum nächsten Gitter und weiter zum nächsten. Und zum übernächsten.
Ich konnte immer besser nachempfinden, wie sich eine Laborratte im Testlabyrinth fühlte.
Gleichzeitig fiel mir eine weitere Nebenwirkung meines Mäusedaseins auf: Mein Geruchssinn war tausendmal besser als früher. Zum ersten Mal leuchtete mir der Spruch Immer der Nase nach wirklich ein und ich hielt mich daran. Bald hatte ich die richtige Abzweigung erreicht. Hier
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