Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
herbeizaubern könnte. Es wäre sehr uncool gewesen, meinem Bruder die Hosentasche vollzukotzen.
»Da ist der Lieferwagen mit den neuen Häftlingen«, sagte Whit. »Derselbe Wagen wie bei uns.«
»Beeilung!« , zischte Margo.
Es ging noch schneller voran. Whits kräftige Schritte schaukelten mich so rasant hin und her, dass ich wimmernd die Augen schloss.
Irgendwann zog er mich aus der Tasche, damit ich mich orientieren konnte. Wir hatten das Gefängnistor gerade rechtzeitig erreicht – der Lieferwagen fuhr vor und hupte.
»Jetzt«, flüsterte Emmet meinem Bruder zu und Whit warf irgendwas in den Abfalleimer an der Straßenecke. Mit einem leisen Schwumm flammte der Eimer auf.
»Was ist da los? Was ist passiert?«, schrie Whit und deutete auf den Eimer.
Sofort setzten sich die Wachen am Tor in Bewegung. Sie sprinteten los – und ließen den Lieferwagen samt Fahrer für einen kurzen Moment allein. Nachdem der Fahrer einen Code auf einem Tastenfeld eingetippt hatte, öffnete sich das hohe Stahltor und Whit schlüpfte knapp außerhalb seines Sichtfelds hinein.
Als Whit auf den Hof trat, zuckte meine Nase unkontrollierbar. Es war genau derselbe Gestank wie in der Klinik. Als würden sie ihn extra hierherpumpen.
Ich kann da nicht reingehen , dachte ich, ich kann das nicht. Doch dann erinnerte ich mich an unsere Eltern. Es gab kein Zurück mehr.
Der Fahrer öffnete die Hecktür des Lieferwagens. Ein Haufen verängstigter Kids wagte sich langsam ins Freie und sah sich mit weit aufgerissenen Augen um. Währenddessen trat ein weiterer Wachmann aus dem inneren Wachhäuschen, um die Aufnahme der Neuankömmlinge zu protokollieren. Einige Kinder waren höchstens fünf oder sechs. Als ich daran dachte, was die unschuldigen Kleinen erwartete, wurde mir schlecht.
Whit und ich blickten uns in die Augen – ja, eine Maus und ein Mensch können sich in die Augen blicken – und flüsterten die Worte, die wir gemeinsam einstudiert hatten.
Schlaft, meine Kleinen, schlaft.
Legt euch nieder und schlaft.
Die Nacht wird euch in den Armen halten
Und über eure Träume walten.
Dieses Schlaflied hatten uns unsere Eltern oft gesungen, als wir klein waren. Doch nach dem letzten Wort setzte meine Erinnerung jedes Mal komplett aus – weil ich jedes Mal wie ein Stein gepennt hatte, kaum dass sie die letzte Silbe gemurmelt hatten. Whit und ich verließen uns darauf, dass die beiden ihre Magie benutzt hatten, um ihre aufgekratzten Kinder ins Bett zu bringen.
Okay, es war hoch gepokert.
Zu hoch, wie sich herausstellte.
Der Wachmann und der Fahrer unterhielten sich gemütlich, blätterten die Papiere auf ihren Klemmbrettern durch und plauderten weiter … ein ganz normaler Arbeitstag, an dem mal eben ein paar unschuldige Kinder eingekerkert wurden, trallala … Whit und ich sahen uns an. In seinen Augen flimmerte aufkeimende Panik. Was, wenn es nicht funktionierte?
Schlaft endlich, ihr Arschlöcher, schlaft! , dachte ich verzweifelt. Zu blöd, dass ich meinen Trommelstock nicht dabeihatte. Wahrscheinlich würde ich gleich als Mäusebrei enden …
Hinter uns knallte das Tor zu. Unsere Freunde waren ausgesperrt. Und wir waren eingesperrt – ein falscher Wachmann, der sich jeden Moment wieder in einen Teenager verwandeln konnte, und eine falsche Maus, die sich jeden Moment wieder in eine Teenagerin verwandeln konnte. Und zwei N.-O.-Handlanger, die Alarm schlagen würden, sobald ihnen auffiel, dass hier etwas faul war.
Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln.
Wisty
Als ich über Whits gekrümmten Zeigefinger linste, sah ich, wie sich die beiden Riesen langsam zu meinem Bruder umdrehten. Der eine runzelte die Stirn.
»Bist wohl neu hier, was?«, fragte er. »Hab dich noch nie gesehen. Wie heißt du, Grünschnabel?«
Einschlafen! , donnerte ich, aber natürlich nur in Gedanken. EINSCHLAFEN! SOFORT EINSCHLAFEN!
DAS MUSSTE DOCH FUNKTIONIEREN!
Und da … klappten die beiden Hünen tatsächlich zusammen. Sie lagen zu Whits Füßen und schnarchten friedlich. Völlig weggetreten.
Erschrocken starrten die kleinen Gefangenen auf die Entschlummerten. Als wären sie als Nächstes dran.
»Keine Angst«, sagte Whit zu ihnen. »Wir sind eure Freunde. Ihr müsst uns vertrauen, okay? Wir sind genau wie ihr .« Dann hielt er mich dicht vors Gesicht. »Willst du das wirklich durchziehen, Wisty? Das ist kein Spiel mehr.«
»Es gibt kein Zurück, Whit«, antwortete ich. »Mom und Dad warten auf uns – und die ganzen Kids, die morgen in
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