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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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dafür, daß Eleanor Holt nicht die Hannah-Figur war, für die Hannah sie hielt. Damit hatte die Freundschaft zwischen Ruth und Hannah einen toten Punkt erreicht – zumindest bis Ruth ihre Freundin zu der Lesung aus ihrem neuen Roman einlud; dabei ging es eigentlich weniger um den Roman, den Hannah schon gelesen hatte, als um die aufregende Aussicht, Eddie O’Hare kennenzulernen.
    Die zweite Person, auf die Hannah fast ebenso gespannt war, war der Mann, den Ruth ihr als ihren »derzeitigen« Freund angekündigt hatte. In Wirklichkeit gehörte er eher in die Kategorie eines Möchtegernfreundes – »eines Kandidaten«, wie Hannah gesagt hätte. Dieser potentielle Freund war zugleich jene wichtige Persönlichkeit bei Random House, Ruths neuer Lektor, den Eddie wegen seiner onkelhaften Herzlichkeit und weil dieser sich nie an ihn erinnern konnte, nicht besonders gut leiden konnte.
    Ruth hatte Hannah erklärt, er sei der beste Lektor, mit dem sie je zusammengearbeitet habe. Sie sei noch nie einem Mann begegnet, meinte sie, mit dem sie so gut reden und dem sie so gut zuhören könne. Sie habe den Eindruck, daß es, mit Ausnahme von Hannah vielleicht, keinen Menschen gebe, der sie so gut kenne. Allan sei nicht nur aufgeschlossen und energisch, sondern fordere sie auch »im besten Sinne des Wortes«.
    »Was meinst du mit ›im besten Sinne des Wortes‹?« hatte Hannah gefragt.
    »Ach, du wirst schon sehen, wenn du ihn kennenlernst«, hatte Ruth gesagt. »Außerdem ist er ein Gentleman.«
    »Alt genug ist er jedenfalls«, entgegnete Hannah. »Ich meine, er gehört der entsprechenden Generation an, um sich wie ein Gentleman zu benehmen. Wie alt ist er überhaupt – zwölf oder fünfzehn Jahre älter als du?« (Sie hatte ein Foto von ihm gesehen.)
    »Achtzehn«, sagte Ruth gelassen.
    »Wahrhaftig ein Gentleman«, sagte Hannah. »Und hat er nicht auch Kinder? Mein Gott, wie alt sind die denn? Die könnten ja so alt sein wie du!«
    »Er hat keine Kinder«, entgegnete Ruth.
    »Aber ich dachte, er war ewig lang verheiratet«, sagte Hannah. »Warum hat er dann keine Kinder?«
    »Seine Frau wollte keine, sie hatte Angst davor«, sagte Ruth.
    »Hört sich irgendwie nach dir an«, meinte Hannah.
    »Allan wollte ein Kind, aber seine Frau nicht«, räumte Ruth ein.
    »Dann will er also immer noch ein Kind«, folgerte Hannah.
    »Jedenfalls reden wir drüber«, gestand Ruth.
    »Und vermutlich redet er nach wie vor mit seiner Exfrau. Wollen wir hoffen, daß er der letzten Generation von Männern angehört, die es für nötig halten, mit ihren Exfrauen im Gespräch zu bleiben«, sagte Hannah geringschätzig. Das war ihr journalistisches Credo: Jedermann hatte sich genau an die statistischen Vorgaben für Alter, Bildung und einen bestimmten Typ zu halten. Diese Art zu denken konnte einen auf die Palme bringen, aber Ruth biß sich auf die Zunge. »Tja«, fügte Hannah philosophisch hinzu, »und beim Sex läuft es wohl … ganz so wie erwartet, oder?«
    »Wir haben noch nicht miteinander geschlafen«, gab Ruth zu.
    »Und wer bremst?« fragte Hannah.
    »Beide«, log Ruth. Allan war geduldig; Ruth war diejenige, die »bremste«. Sie befürchtete so sehr, daß sie keinen Gefallen daran finden würde, mit ihm zu schlafen, daß sie die Sache hinauszögerte. Sie wollte ihn auch weiterhin als den Mann in ihrem Leben betrachten können.
    »Aber du hast doch gesagt, daß er dir einen Heiratsantrag gemacht hat!« rief Hannah. »Er will dich heiraten, und dabei hat er noch gar nicht mit dir geschlafen? Das entspricht nicht mal seiner Generation, schon eher der seines Vaters oder Großvaters!«
    »Er möchte mir das sichere Gefühl geben, daß ich nicht nur irgendeine Freundin für ihn bin«, hatte Ruth Hannah erklärt.
    »Du bist noch überhaupt keine Freundin!« sagte Hannah.
    »Ich finde das ganz reizend«, sagte Ruth. »Er ist in mich verliebt, bevor er mit mir geschlafen hat. Ich finde das nett.«
    »Zumindest ist es ungewöhnlich«, räumte Hannah ein. »Wovor hast du dann Angst?«
    »Ich habe vor gar nichts Angst«, log Ruth.
    »Für gewöhnlich legst du keinen Wert darauf, daß ich deine Freunde kennenlerne«, rief Hannah ihr ins Gedächtnis.
    »Dieser ist was Besonderes«, sagte Ruth.
    »So besonders, daß du noch nicht mit ihm geschlafen hast.«
    »Er kann mich beim Squash schlagen«, fügte Ruth lahm hinzu.
    »Das kann dein Vater auch, und wie alt ist der?«
    »Siebenundsiebzig«, sagte Ruth. »Du weißt genau, wie alt mein Vater

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