Witwe für ein Jahr (German Edition)
verschwunden. Eine von Ruths unumstößlichen Regeln für Beziehungen lautete: Keine verheirateten Männer.
Ein Flugzeug dröhnte über ihre Köpfe hinweg – der Bus fuhr am Flughafen LaGuardia vorbei –, als Ruth sagte: »Lassen Sie mich raten. Mein Vater hat den Tennisspieler zum Squash bekehrt. Und bei Ihrem Teint – Sie sind sehr hellhäutig, bestimmt bekommen Sie leicht einen Sonnenbrand – ist Squash ohnehin besser. Da kriegt Ihre Haut keine Sonne ab.«
Sein Lächeln war irgendwie hinterhältig. Als lauerte dahinter die Annahme, daß praktisch alles mit einem Rechtsstreit enden konnte. Scott Saunders war kein netter Bursche. Dessen war sich Ruth ziemlich sicher.
»Offen gestanden«, begann er, »habe ich nach der Scheidung mit dem Tennisspielen aufgehört und mit Squash angefangen. Meine Exfrau und ich haben uns darauf geeinigt, daß sie die Mitgliedschaft im Country-Club bekommt. Sie hat großen Wert darauf gelegt«, fügte er großzügig hinzu. »Und außerdem haben die Kinder dort Schwimmunterricht.«
»Wie alt sind Ihre Kinder?« fragte Ruth pflichtschuldig.
Hannah hatte ihr vor langer Zeit klargemacht, daß dies die erste Frage ist, die man einem geschiedenen Mann stellen sollte. »Wenn geschiedene Männer über ihre Kinder reden können, gibt ihnen das das Gefühl, gute Väter zu sein«, hatte Hannah gesagt. »Und wenn du dich mit einem Kerl einläßt, willst du doch wissen, ob du es unter Umständen mit einem Dreijährigen oder einem Teenager zu tun kriegst. Das ist immerhin ein Unterschied.«
Während der Bus weiter nach Osten fuhr, hatte Ruth das Alter von Scott Saunders Kindern bald wieder vergessen; sie interessierte sich mehr dafür, wie gut er im Vergleich zu ihrem Vater Squash spielte.
»Meistens gewinnt er«, gab der Anwalt zu. »Wenn er die ersten drei oder vier Sätze gewonnen hat, läßt er mich manchmal einen oder zwei gewinnen.«
»So viele Sätze spielen Sie?« fragte Ruth. »Fünf oder sechs?«
»Wir spielen mindestens eine Stunde, manchmal auch anderthalb«, sagte Scott. »Auf die Anzahl der Sätze achten wir eigentlich gar nicht.«
Mit mir würdest du keine anderthalb Stunden durchhalten, dachte sich Ruth. Offenbar ließ der alte Herr nach. Aber sie sagte nur: »Bestimmt laufen Sie gern.«
»Ich bin ziemlich gut in Form«, sagte Scott Saunders. Er sah aus, als wäre er hervorragend in Form, aber Ruth ging nicht auf seine Bemerkung ein; sie blickte aus dem Fenster, wohl wissend, daß er den Moment nutzte, um ihren Busen zu betrachten. (Sie konnte sein Spiegelbild im Busfenster sehen.) »Ihr Vater behauptet, Sie seien eine ausgezeichnete Spielerin, besser als die meisten Männer«, fügte er hinzu. »Aber er behauptet auch, daß er noch immer besser spielt als Sie, zumindest noch ein paar Jahre lang.«
»Da irrt er sich«, sagte Ruth. »Er ist nicht besser als ich. Er ist nur klug genug, nie in einem normalen Court gegen mich anzutreten. Und seine Scheune kennt er wie seine Westentasche.«
»Sein Heimvorteil hat wahrscheinlich auch psychologische Gründe«, meinte der Anwalt.
»Ich werde ihn besiegen«, sagte Ruth. »Danach höre ich vielleicht zu spielen auf.«
»Vielleicht könnten wir ja mal spielen«, schlug Scott Saunders vor. »Meine Kinder sind nur am Wochenende da. Heute ist Dienstag …«
»Und Sie arbeiten dienstags nicht?«
Wieder bemerkte sie das kurze Aufflackern in seinem Lächeln, als gäbe es da ein Geheimnis, von dessen Existenz der andere zwar wissen sollte, das er aber nie verraten hätte. »Ich habe Scheidungsurlaub«, erklärte er. »Ich nehme mir so viel Zeit frei, wie ich brauche.«
»Nennt man das wirklich ›Scheidungsurlaub‹?« fragte Ruth.
»Ich nenne es so«, erklärte der Anwalt. »Was die Kanzlei betrifft, bin ich ziemlich unabhängig.« Er sagte es so, wie er zuvor gesagt hatte, er sei ziemlich gut in Form. Das konnte entweder bedeuten, daß man ihn gefeuert hatte oder daß er ein phantastischer Anwalt war, der tolle Erfolge vorzuweisen hatte.
Jetzt geht das schon wieder los, dachte sich Ruth. Sie überlegte, daß sie sich immer zu den falschen Kerlen hingezogen fühlte, weil bei denen von vornherein klar war, daß die Sache nicht von Dauer sein würde.
»Vielleicht könnten wir ja ein kleines Ringturnier machen«, schlug Scott vor. »Jeder gegen jeden, nur wir drei. Sie spielen gegen Ihren Vater, Ihr Vater gegen mich, dann ich gegen Sie …«
»Solche Turniere spiele ich nicht«, sagte Ruth. »Ich spiele nur Einer-gegen-einen, und
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