Witwe für ein Jahr (German Edition)
glitschige Gefühl, das der Frosch hinterlassen hatte, verschwunden war. Der Schleim hatte sie an das noch allzu frische Erlebnis mit dem Gleitgel erinnert.
Als sie hörte, daß sich die Waschmaschine abschaltete, stieg sie aus dem Pool und lud die nasse Wäsche in den Trockner um. Sie ging in ihr eigenes Bett, lag zwischen den frischen Laken und lauschte dem tröstlich vertrauten Klicken von etwas Hartem, das im Trockner um und um gewirbelt wurde.
Doch als sie später aufstehen mußte, um auf die Toilette zu gehen, tat es ihr beim Pinkeln weh, und sie dachte über die unbekannte Stelle tief in ihrem Innern nach, wo Scott Saunders sie gestoßen hatte. Auch dort tat es weh. Es war kein scharfer Schmerz, eher ein Ziehen, als kündigten sich ihre Monatskrämpfe an – nur war es nicht Zeit dafür, und außerdem hatte sie an dieser Stelle noch nie einen Schmerz verspürt.
Am Morgen rief sie Allan an, bevor er das Haus verließ.
»Würdest du mich weniger lieben, wenn ich das Squashspielen aufgeben würde?« fragte Ruth. »Ich glaube, ich habe nicht mehr viele Spiele in mir – jedenfalls nicht mehr, wenn ich meinen Vater geschlagen habe.«
»Aber natürlich würde ich dich nicht weniger lieben«, versicherte ihr Allan.
»Du bist zu gut für mich«, meinte sie.
»Ich habe dir doch gesagt, daß ich dich liebe.«
Mein Gott, er muß mich wirklich lieben! dachte Ruth. Aber sie sagte nur: »Ich rufe dich noch einmal an, vom Flughafen aus.«
Ruth hatte die blauen Flecken an ihren Brüsten untersucht, die von Scotts Fingern stammten; auch an Hüften und Gesäß hatte sie blaue Flecken, die sie jedoch nicht alle sehen konnte, weil sie nur mit dem linken Auge sah. Sie vermied es nach wie vor, ihr Gesicht im Spiegel zu betrachten. Sie wußte auch so, daß es sinnvoll war, weiterhin Eispackungen auf das rechte Auge zu legen; und das tat sie auch. Ihre rechte Schulter war steif und schmerzte, aber sie hatte keine Lust mehr, sie in Eis zu betten. Außerdem gab es noch einiges zu erledigen. Sie war gerade mit dem Packen fertig, als ihr Vater nach Hause kam.
»Mein Gott, Ruthie, wer hat dich denn geschlagen?«
»Ich habe mich beim Squashspielen verletzt«, log sie.
»Gegen wen hast du denn gespielt?«
»Hauptsächlich gegen mich selbst.«
»Ruthie, Ruthie …«, sagte ihr Vater. Er wirkte müde. Zwar sah er nicht aus wie siebenundsiebzig, aber Ruth fand, daß er aussah wie Mitte Sechzig. Sie liebte die glatten Rücken seiner kleinen, rechteckigen Hände. Ruth ertappte sich dabei, daß sie seine Handrücken anstarrte, weil sie ihm nicht in die Augen sehen konnte – mit dem zugeschwollenen rechten Auge ohnehin nicht. »Es tut mir leid, Ruthie«, begann ihr Vater. »Das mit Hannah …«
»Ich will nichts davon hören, Daddy«, sagte Ruth. »Du kannst deinen Hengst einfach nicht im Stall lassen, wie man so sagt. Immer die gleiche Geschichte.«
»Aber Hannah …«, versuchte ihr Vater zu erklären.
»Ich möchte nicht mal ihren Namen hören.«
»Also gut, Ruthie.«
Sie konnte es nicht ertragen, mit anzusehen, wie zerknirscht er war; sie wußte längst, daß er sie mehr liebte als irgendeinen anderen Menschen. Schlimmer war es für sie, zu wissen, daß auch sie ihn liebte. Sie liebte ihn mehr als Allan, und sie liebte ihn mit Sicherheit mehr als Hannah. Es gab keinen Menschen, den Ruth so sehr liebte und haßte wie ihren Vater, aber sie sagte nur: »Hol deinen Schläger.«
»Kannst du mit dem Auge da sehen?« fragte ihr Vater.
»Ich kann mit dem anderen sehen«, entgegnete Ruth.
Ruth gibt ihrem Vater eine Fahrstunde
Beim Pinkeln tat es ihr noch immer weh, aber Ruth gab sich Mühe, nicht daran zu denken. Sie schlüpfte rasch in ihre Squashsachen; sie wollte auf dem Court sein und den Ball warmschlagen, bevor ihr Vater spielbereit war. Und sie wollte den blauen Kreidefleck abwischen, mit dem der tote Punkt an der Stirnwand markiert war. Ruth brauchte die Kreidemarkierung nicht, um zu wissen, wo er sich befand.
Der Ball war bereits warm und sprang gut, als Ruth jenes kaum wahrnehmbare Vibrieren des Bodens spürte, das ankündigte, daß ihr Vater die Leiter in der Scheune heraufkletterte. Sie lief zur Stirnwand, drehte sich um und lief zur Rückwand – alles, bevor sie ihren Vater zweimal mit dem Schläger klopfen und die Tür zum Squashcourt öffnen hörte. Ruth verspürte nur einen leichten Schmerz an jener ungewohnten Stelle, an der Scott sie so ungut gestoßen hatte. Wenn sie nicht zuviel laufen mußte, war alles in
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