Witwe für ein Jahr (German Edition)
ihren Kindermädchen oder Eltern bevölkert; und natürlich alle Baseballspiele und Weihnachtseinkäufe.
Was hatte sie noch gemieden? Alle Sommer- und Winterferienorte, die ersten warmen Tage im Frühling, die letzten warmen Tage im Herbst – und selbstverständlich Halloween. Zu den Dingen, die sie sich ganz abgewöhnt hatte, gehörte auch das Frühstücken außer Haus, das Eisessen … Marion war stets die gutgekleidete Frau, die allein in ein Restaurant ging – immer erst kurz bevor die Küche zumachte. Sie bestellte den Wein glasweise und las während des Essens einen Roman.
»Ich hasse es, allein zu essen«, sagte Eddie mitfühlend.
»Wenn man beim Essen einen Roman liest, ist man nicht allein, Eddie. Ich schäme mich ein bißchen für dich«, erklärte sie.
Er konnte nicht umhin, sie zu fragen, ob sie jemals daran gedacht hatte, anzurufen.
»Unzählige Male«, sagte Marion.
Sie hatte nie damit gerechnet, aus ihren Büchern auch nur ein bescheidenes Einkommen zu erzielen. »Für mich hatten sie nur therapeutische Funktion«, sagte sie. Bevor sie zu schreiben anfing, hatte sie von Ted bekommen, was ihr Anwalt gefordert hatte: genug zum Leben. Ted hatte dafür nur verlangt, daß er Ruth für sich behalten durfte.
Als er starb, wurde die Versuchung, anzurufen, so übermächtig, daß Marion ihr Telefon abmeldete. »Von da an habe ich ganz auf das Telefon verzichtet«, sagte sie zu Eddie. »Es war nicht schwerer, als auf die Wochenenden zu verzichten.« Sie hatte es aufgegeben, an Wochenenden auszugehen (wegen der vielen Kinder), lange bevor sie ihr Telefon abmeldete. Und wann immer sie verreiste, richtete sie es so ein, daß sie nach Einbruch der Dunkelheit ankam – selbst in der Maple Lane.
Marion wollte etwas trinken, bevor sie ins Bett ging. Und damit meinte sie kein Cola light – Eddie hatte eine leere Dose in der Hand gehabt, als sie ankam. Im Kühlschrank standen drei Flaschen Bier (für den Fall, daß jemand vorbeischaute) und eine offene Flasche Weißwein. Es war auch noch etwas Besseres im Haus, eine Flasche Malt-Whiskey, die Eddie unter der Spüle aufbewahrte – für ganz besondere Gäste und die seltenen Fälle, in denen er weibliche Gesellschaft hatte. Zum ersten und letzten Mal hatte er dieses feine Zeug im Anschluß an Teds Trauerfeier in Ruths Haus in Sagaponack getrunken; damals war er überrascht gewesen, wie gut es ihm geschmeckt hatte. (Er hatte auch etwas Gin im Haus, obwohl ihn schon der Geruch zum Würgen brachte.)
Jedenfalls bot er Marion einen Malt-Whiskey an, in einem Weinglas, denn andere Gläser besaß er nicht. Er trank sogar selbst einen Schluck. Während Marion dann ins Bad ging und sich zum Schlafen herrichtete, spülte Eddie die Weingläser sorgfältig mit warmem Wasser und Spülmittel ab (bevor er sie, überflüssigerweise, in die Spülmaschine stellte).
Marion überraschte ihn in einem elfenbeinfarbenen Unterrock und mit offenen Haaren – sie waren schulterlang und grau, aber heller als die von Eddie – in der Küche, wo sie von hinten an ihn herantrat, die Arme um seine Taille schlang und ihn umarmte.
Eine Zeitlang behielten sie diese keusche Stellung auch in Eddies Bett bei, bevor Marion ihrer Hand erlaubte, zu seiner Erektion zu wandern. »Noch immer ein Junge!« flüsterte sie, während sie seinen »kühnen Penis« hielt, wie Penny Pierce ihn einmal bezeichnet hatte – sie hatte vor langer Zeit auch von seinem »Heldenschwanz« gesprochen. Marion hätte sich nie so albern und so plump ausgedrückt.
Dann wandten sie sich einander im Dunkeln zu, und Eddie lag da, wie er früher bei ihr gelegen hatte, mit dem Kopf an ihrer Brust; sie strich ihm mit den Händen durch die Haare, während er sie an sich drückte. So schliefen sie ein, bis der 1-Uhr-26 sie weckte.
»Gütiger Himmel!« rief Marion, denn dieser Morgenzug in Richtung Westen war wahrscheinlich der lauteste überhaupt. Nicht nur, weil die meisten Leute um halb zwei Uhr nachts tief und fest schliefen, sondern weil dieser Zug an Eddies Haus vorbeifuhr, bevor er den Bahnhof erreichte. Man spürte nicht nur das Vibrieren des Bettes und hörte das Rumpeln der Waggons, man hörte auch die Bremsen.
»Es ist nur ein Zug«, sagte Eddie beruhigend, während er Marion in den Armen hielt. Was machte es schon, wenn ihre Brüste schlaff geworden waren und herabhingen? Doch nur ein bißchen! Wenigstens hatte sie noch Brüste, die weich und warm waren.
»Wie willst du auch nur einen Cent für dieses Haus bekommen,
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