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Wizards of Nevermore Bd. 1 - Eine Hexe in Nevermore

Wizards of Nevermore Bd. 1 - Eine Hexe in Nevermore

Titel: Wizards of Nevermore Bd. 1 - Eine Hexe in Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Bardsley
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eigene Trickkiste verwenden konnte. Er hatte immer einen guten Job gemacht, liebte diese Energie, diesen Ehrgeiz. Heute kam es ihm selbst seltsam vor, dass er einmal geglaubt hatte, er könnte die ganze Welt erobern.
    Sein Vater war gestorben, als Gray noch sehr klein war, und seine Mutter Leticia Calhoun hatte nie wieder geheiratet – obwohl es einige Angebote gab. Allerdings wäre eine Heirat, nur um die Allianz zu stärken, für seine Mutter nie infrage gekommen. »Wenn man einmal geliebt hat«, hatte sie ihrem Sohn in einem seltenen wehmütigen Augenblick mit auf den Weg gegeben, »gibt man sich nicht mit weniger zufrieden.«
    Gray hatte Kerren geliebt – zumindest hatte er das geglaubt. Seine Mutter konnte sich dagegen nie mit der Heirat ihres Sohnes arrangieren. Drachen und Raben führten nicht gerade das, was man eine friedliche Koexistenz nannte. Wenn er jetzt zurückdachte, fragte er sich, ob er in seinem tiefsten Innern eigentlich nicht damals schon gespürt hatte, dass das zwischen ihm und Kerren nicht die tiefe, atemlose, bedingungslose Liebe war, die seine Mutter und seinen Vater geeint hatte.
    »Außer, sie hat mir ein Märchen erzählt«, murmelte er vor sich hin, während er den Reißverschluss des schwarzen Kleidersacks öffnete, der zwischen seinen T-Shirts und Pullovern hing. Seine Mutter hatte sich nach einem Mann verzehrt, den sie nicht mehr haben konnte, und hatte deshalb die Liebe in den schillerndsten Farben ausgemalt.
    Oh Mann! Wenn er doch endlich diesen Umhang finden könnte! Sonst musste er sich eine Alternative überlegen. Als Erstes kam die rote Robe zum Vorschein. Gray verzog das Gesicht. Die hatte er an dem Tag getragen, als er vor dem Höchsten Gericht seinen formalen Rücktritt eingereicht hatte. Er stopfte das Kleidungsstück zurück in den Sack und griff nach dem nächsten Bügel.
    Zum Kuckuck noch mal!
    Warum hatte er das weiße Gewand, in dem er geheiratet hatte, überhaupt aufgehoben? Angewidert schleuderte er es auf den Boden. Die Magie der eingestickten Symbole hatte sowieso keine Bedeutung oder Kraft mehr. Er hätte das dumme Ding gar nicht aufzuheben brauchen. Er musste nicht an seine gescheiterte Ehe und seine Exfrau, diese Verräterin, erinnert werden.
    Plötzlich wurde er wütend. Vielleicht sollte er doch nicht in die Stadt fahren. Wozu? Um Lucinda zu retten? Auch an diese Frau erinnerte er sich nicht unbedingt gerne. Sie war kein böses Mädchen gewesen, aber sehr selbstsüchtig. Sie konnte nichts anfangen mit Menschen oder Dingen, die sich nicht um sie drehten. Natürlich war das auch typisch für einen pubertierenden Teenager – erst recht, wenn man von seinen reichen Eltern so extrem verwöhnt wurde. Abgesehen davon beherrschte sie die Thaumaturgie und war einst von allen Häusern, auch vom Geschlecht der Drachen, umworben worden. Selbst seine Mutter hatte Lucys Rabenherkunft geflissentlich übersehen, um Hilfe von ihr zu bekommen. Der Begriff Thaumaturgie stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie das Vermögen, Wunder bewirken zu können. Lucinda konnte mithilfe ihrer Fähigkeiten das Leben selbst beeinflussen – sie konnte schwere Verwundungen, Knochenbrüche, ernste Erkrankungen heilen. Wie Gray gehört hatte, waren fähige Thaumaturgen sogar in der Lage, einem Toten wieder das Leben einzuhauchen.
    Doch Lucinda war eine Rackmore, und deshalb war sie verunreinigt. Nachdem das Höchste Gericht das Edikt erlassen hatte, durfte kein Haus mehr ihre Mitgliedschaft dulden.
    Während Gray den dritten Zauberumhang hervorkramte, fragte er sich, ob er Lucinda nicht einfach in Ruhe lassen sollte. Sie war vollkommen verarmt, daran konnte er ohnehin nichts ändern. Sie würde niemals mehr Geld besitzen, das hatte sie der Gier ihrer Vorfahren zu verdanken. Nein. Was ihn umtrieb, das war der verlorene Ausdruck in ihren grünen Augen gewesen, ihre verhärmten Züge und ihr zerbrechlicher körperlicher Zustand, der auf Unterernährung schließen ließ. Sie hatte die Schultern hängen lassen wie jemand, der eine viel zu schwere Last trug.
    Und er hatte ihre letzte Hoffnung zunichtegemacht. Natürlich war ihm nicht entgangen, wie ihr Blick erlosch, als ihr klar wurde, dass er ihr nicht helfen würde. Wie viele Leute hatten ihr schon die Tür vor der Nase zugeschlagen?
    Dieser verdammte Bernard Franco! Er war immer ein Scheißkerl gewesen, noch bevor er von seiner Position im Haus der Raben »zurücktrat«. Nach dem letzten und schlimmsten Skandal hatte ihm das interne

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