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Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin

Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin

Titel: Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Belkowski
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mit den Truppen »eines Fallschirmjägerregiments« einnehmen. Dabei war Gratschow nicht nur ein außergewöhnlich gerissener Höfling, der dem politischen Führer lediglich das empfahl, was dieser wollte. (Wir erinnern uns an ein ähnliches Verhalten von Alexander Woloschin im Jahr 2000, als Putin nicht zum Katastrophen-U-Boot Kursk fahren wollte und seine Höflinge ihm erklärten, warum er mit seinem Aufschiebeverhalten absolut richtig lag.) Darüber hinaus muss jede Armee ab und zu einen wie auch immer gearteten Krieg führen, um das Land und die Gesellschaft an ihre Unverzichtbarkeit zu erinnern. Ohne Krieg rostet eine Armee und ähnelt früher oder später einem Nassauer, einem parasitären Gewächs am Staatskörper, das ziellos gigantische Mittel des Steuerzahlers verschlingt.
    Im November 1994 setzten sich die föderalen Panzer Richtung Tschetschenien in Bewegung. Die Republik wurde geradezu dem Erdboden gleichgemacht. Vom Schauplatz der Kriegshandlungen kamen die Särge mit russischen Soldaten zunächst zu Hunderten, dann zu Tausenden zurück. Dennoch wollte sich kein Triumphgefühl einstellen, weder bei den Eliten der Gesellschaft noch in den Massenmedien.
    Anfang 1996 wusste man, dass Jelzin mit dem Thema »kleiner siegreicher Krieg« politisch nicht weit kommen würde. Daraufhin wurde ein alternatives, zutiefst antikommunistisches Szenario der Wiederwahl des Präsidenten für eine zweite Amtszeit erwogen, erdacht von Boris Beresowski, Anatoli Tschubais und ihren damaligen Gleichgesinnten.
    Was Tschetschenien betraf, so meinte Jelzin, ein »schlechter Frieden« sei besser als ein »gerechter Krieg«.
    Bereits 1995 hatten in der formal befriedeten, aber in Wirklichkeit keineswegs untertänigen Bergrepublik Präsidentschaftswahlen stattgefunden, die der Günstling des Kremls, der ehemalige Erste Sekretär des Tschetscheno-Inguschetischen Komitees der KPdSU Doku Sawgajew gewann. Doch Herr Sawgajew wurde keineswegs das legitime Oberhaupt von Tschetschenien. Er war nicht einmal in der Lage, seine Residenz in dem von föderalen Fliegern zerbombten Grosny zu errichten, und hielt sich in einem extra abgesicherten Objekt auf – dem Militärflughafen Sewerny in der Nähe der tschetschenischen Hauptstadt.
    Im April 1996 fand General Dschochar Dudajew in den Bergen seinen Tod. Er wurde von einer ferngesteuerten Rakete getroffen, die von einem Standort der russischen Truppen abgefeuert worden war. Man konnte Dudajew deswegen anpeilen, weil er im Moment des Angriffs über das System Iridium sprach (das damals als Kommunikationsmittel zu schlecht erreichbaren Orten sehr beliebt war). Er telefonierte gerade mit dem marginalen russischen Politiker und ehemaligen Börsenbroker Konstantin Borowoi, der als einer der wenigen politisch aktiven russischen Bürger mit dem Führer des tschetschenischen Aufstandes sympathisierte. In Wirklichkeit wird Borowoi wohl eine delikate Mission der russischen Geheimdienste ausgeführt haben, wofür er auch die Verbindung zu Dudajew hergestellt haben dürfte.
    In der Neujahrsnacht des Jahres 1996 stürmten die Truppen des unabhängigen Itschkerias Grosny und stellten die Kontrolle über ihre Hauptstadt wieder her. Der Kreml, dem die militärischen Argumente ausgegangen waren und der innerhalb der russischen Bevölkerung auf immer mehr Unzufriedenheit mit der militärischen Aktion stieß, musste nun feststellen, dass er den »Ersten Tschetschenien-Krieg« verloren hatte.
    Nach Jelzins erzwungenem und fadem Wahlsieg für eine zweite Amtsperiode als Präsident ließ Moskau freie Wahlen in Tschetschenien zu, das nun ohne Dudajew existierte. Erwartungsgemäß siegten die Separatisten. Präsident der Republik und Regierungschef wurde Aslan Maschadow, Oberst der sowjetischen Armee und Leiter von Dudajews Stab. Als Zweiter erreichte der junge Anführer der aufständischen Einheiten Schamil Bassajew das Ziel, der dafür mit dem Posten des ersten Vize-Ministerpräsidenten von Tschetschenien geehrt wurde.
    Maschadow und Bassajew mochten sich nicht und waren meist verfeindet, aber einig in ihrem Wunsch nach einer Separierung von Moskau und der Ablehnung einer Mitgliedschaft ihrer Republik in der Russischen Föderation. Gemeinsam lösten sie Dudajews nominalen Nachfolger Selimchan Jandarbijew ab, den Vize-Präsidenten von Tschetschenien, der einige Monate nach dem Tod des Generals die Präsidentenpflichten übernommen hatte.
    Auffällig war, dass im Mai 1996, kurz vor dem ersten Durchgang der russischen

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