Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
Präsidentschaftswahlen, Selimchan Jandarbijew und seine tschetschenischen Kollegen Jelzin ganz reale Hilfe leisteten. Die nachvollziehbaren Gefahren missachtend, waren sie nach Moskau gekommen und hatten sich vor laufenden Kameras mit dem föderalen Präsidenten getroffen, wobei sie sich gehorsam und geradezu untertänig zeigten.
Die Anführer des unabhängigen Tschetschenien erwiesen sich als brauchbare Schauspieler – dem tschetschenischen Volk liegt die Verstellungskunst generell im Blut, wie die Geschichte zeigt. Jelzin ließ es im Äther donnern und krachen, schimpfte auf Jandarbijew und seine Gefährten wie ein Rohrspatz, und die tschetschenische Delegation, die kurzzeitig ihre kriegerische Unabhängigkeitsmoral vergaß, verteidigte sich nur matt. Dem russischen Fernsehzuschauer musste ein solches Schauspiel natürlich gefallen.
Wie auch nicht: Wenn Jelzin auch den »kleinen siegreichen Krieg« verloren hatte, machte er die Sieger dennoch nass wie kleine Jungs! Jandarbijew agierte durchaus pragmatisch: Er wusste bereits, dass Moskau nach den Wahlen Friedensverhandlungen führen und einer faktischen Unabhängigkeit Tschetscheniens zustimmen würde. Man hatte ihn vorweg informiert, bereits während der Vorbereitung des äußerlich seltsamen, aber seinem Wesen nach völlig logischen Staatsbesuchs im vermeintlich feindlichen Moskau.
Im Juli 1996 holte Boris Jelzin seinen nominalen Wahlgegner ins Boot, der in Wirklichkeit ebenfalls vom Kreml positioniert worden war, um dem Kommunisten Gennadi Sjuganow Stimmen wegzunehmen. Es war Alexander Lebed, ehemaliger Oberkommandeur der 14. Armee, die im nicht anerkannten Transnistrien der Republik Moldau stationiert war. Der charismatische und brutale General Lebedew, der in seinem tiefsten Inneren alles andere als töricht oder ungebildet war, wurde von Boris Beresowski und Wladimir Gussinski mit allen möglichen finanziellen, organisatorischen und informativen Möglichkeiten ausgestattet und erreichte im ersten Wahldurchgang 15 Prozent der Stimmen. Danach willigte er ein, unter Jelzin Sekretär des Sicherheitsrats und Assistent des Präsidenten für Nationale Sicherheit zu werden, nachdem er seinem älteren Konkurrenten seine Wählerstimmen überlassen hatte.
Teilweise funktionierte das. Denn neben dem langweiligen Sjuganow punktete Lebed beim oppositionellen Wähler durch seine Jugend (obwohl er nur sechs Jahre jünger war als der diensttuende Kommunist, wirkte er einer anderen Generation zugehörig), durch seine unbändige Energie und den groben Glanz seiner zerhackten Sätze. »Hinfallen – reinfallen«, »Wer zuerst schießt, lacht am längsten«, »Mit verbundenen Augen schwimmt es sich schlecht in Salzsäure« – Lebeds Aphorismen werden dem Land noch lange im Gedächtnis bleiben.
Bemerkenswerterweise war General Lebed ein heftiger Gegner von Pawel Gratschow und stellte bei seiner Ernennung zum Sekretär des Sicherheitsrats die Bedingung, der Verteidigungsminister müsse unverzüglich ausgewechselt werden. Im Sommer 1996 stimmte Jelzin der »Auslieferung« seines treuen Ministers leidenschaftslos zu. Die gegebenen politischen Umstände erforderten dies, und Jelzin war bis ins Mark Politiker: in Strategie und Taktik, bestrafend und begnadigend, in Treue und Verrat. Er unternahm wichtige und hoch wichtige Entscheidungen nur aus politischen Motiven, andere Gründe waren für ihn stets zweitrangig.
Dergleichen lässt sich über unseren Helden Wladimir Putin nicht sagen. Sein Leben lang scheint er sich von der Politik freizuboxen und trifft seine Entscheidungen in erster Linie nach persönlicher Sympathie oder Antipathie, aufgrund seines eigenen Verständnisses moralischer Normen (gemäß einem »Mafia-Kodex«, nach dem heute ganz Russland lebt) und natürlich im Hinblick auf die wirtschaftlichen Interessen – seine eigenen und die des Staates.
Bald nach Jelzins Amtseinführung machte sich der Sekretär des Sicherheitsrates auf den Weg nach Tschetschenien und initiierte das sogenannte Abkommen von Chasawjurt (einer kleinen Stadt auf dagestanischem Territorium), das am 31. August unterzeichnet wurde und das Kriegsende sowie die Parameter der tschetschenischen Unabhängigkeit festschrieb. Gemäß dem Abkommen wurden die föderalen Streitkräfte vollständig aus Tschetschenien abgezogen, wobei eine Entscheidung über den Status der Republik auf den 31. Dezember 2001 verschoben wurde. Die aufständische Region war damit nicht formal, aber faktisch unabhängig.
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