Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
staatlichen Unternehmen zurückgekauft werden, allerdings maximal teuer. Dabei kamen zwecks Erhöhung des Wertes der auf diese Weise nationalisierten Aktiva sogar die heiklen Mechanismen des Wertpapiermarkts zur Anwendung.
Putin ist sich dessen, was er tut, vollkommen bewusst. Wenn in Russland in überschaubarer Zukunft eine neue Macht auftauchen sollte, wird diese unausweichlich die Frage nach der Legitimation (also der Revision) der Ergebnisse der Privatisierung stellen – anders kann es gar nicht sein bei dem Übergang aus dem postsowjetischen Zustand eines Staatsgebildes in einen postpostsowjetischen nach dem Ende der langjährigen Kleptokratie. Wenn sich also diese Frage stellt, wird der Anrufbeantworter des ehemaligen Präsidenten eine entfernte und dumpfe Antwort geben: »Vergessen Sie es, liebe Kollegen, es gab keine Privatisierung, alles ist wieder staatlich, da gibt es nicht zu revidieren oder zu legitimieren.«
Das erste Riesengeschäft im Rahmen des vorgegebenen Schemas war der Verkauf von Sibneft an Gazprom. Dabei wetteiferten sowohl Käufer als auch Verkäufer um eine Erhöhung des Preises: Das Aktienpaket von Sibneft, das Roman Abramowitsch gehörte, verteuerte sich buchstäblich am Vorabend des Vertragsabschlusses von 12 Milliarden auf 13,1 Milliarden Dollar. Dabei war 1995 das Kontrollpaket an Sibneft bei einer Pfandauktion für 100,3 Millionen Dollar verkauft worden.
Auf dem Hintergrund derartig gigantischer Abschlüsse verlieren sich fast die Nachrichten über den Ankauf der Vereinigten Maschinenbetriebe durch die dem Unternehmen Gazprom angegliederten Strukturen oder über die Pläne von Rosoboronexport, bei privaten Eigentümern gewisse Aktiva an Stahlwerken aufzukaufen. Aber sowohl die großen als auch die kleinen Operationen passen in diesen genialen Gesamtplan. Dabei dürfen wir nicht davon ausgehen, dass die Kreml-Herren von den Verkäufen Honorare erhalten, die in der Umgangssprache OTKAT (Cashback) genannt werden: Was sollen diese Leute damit, denen schon bald für ihre eigenen, vorerst 30 Prozent der Aktien an Surgutneftegas 10 Milliarden Dollar überwiesen werden? Das reicht für den besten Hafer für Pony Pedro sowie sieben Generationen seiner Nachkommen.
Also, die Nationalisierung nach Putin wurde zu einer Form der fast legalen Ausfuhr von 50 bis 70 Milliarden Dollar aus dem Land. Dieses Geld kam auf die Konten von Privatpersonen – den Gewinnern der großen Privatisierung von Jelzin und Putin (deren Lebenszyklus im russischen politisch-wirtschaftlichen Raum auf diese Weise endet).
Für Russland jedoch werden diese Milliarden zu Schulden innerhalb der staatlichen Strukturen, die der russische Steuerzahler zusammen mit den Gaskonsumenten zu tilgen hat. Also die Bevölkerung, die bereits 2007 für den »hellblauen Brennstoff« 50 Prozent mehr zahlen musste als heute. Die zynischen Kreml-Propagandisten haben die Gelegenheit, dem Land und der Welt zu erklären, dass die Nationalisierung im Interesse des Staates und des Volkes ist. Naive Zuhörer haben das Recht, ihnen zu glauben.
Das Businessgenie Wladimir Putin und seine Gefährten nehmen sich besonders grell auf dem Hintergrund der Schwachheit und Talentlosigkeit anderer slawischer Staatsoberhäupter aus, vor allem im Vergleich mit Viktor Juschtschenko. Der Präsident der Ukraine hat den größten Stahlproduzenten des Landes Kryworischstal für 800 Millionen Dollar in das Staatseigentum zurückgeführt und es gleich darauf bei einem transparenten Wettbewerb für 4,8 Milliarden Dollar an einen indischen Investor verkauft. Dabei verdiente er für seinen Staat auf einen Schlag 4 Milliarden Dollar (fast 20 Prozent des ukrainischen Staatshaushalts von 2005). Das ist doch nicht dumm, oder?
Wenn Juschtschenko bei Putin in die Lehre gegangen wäre, hätte er es genau andersherum gemacht: Er hätte den Staat gezwungen, den Privatisierern der ersten Stunde Rinat Achmetow und Viktor Pintschuk, die Kryworischstal im Juni 2004 für 800 Millionen Dollar besaßen, das Unternehmen für eben 4,8 Milliarden Dollar abzukaufen. Und das ordentliche Sümmchen wäre dann zwischen den drei Personen geteilt worden, im Namen von Landesfrieden, Einverständnis und Stabilität. Es ist kein Zufall, dass der Kreml seinen offiziellen und inoffiziellen Vertretern untersagt hat, den Wettbewerb um Kryworischstal zu kommentieren.
Verstehen Sie jetzt, warum sich der Kreml nicht für die Russen in Turkmenien einsetzte? Weil ihm das Gasgeschäft mit Türkmenbaşy
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