Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
Während der sechs Jahre, die seit der »40-Milliarden-Dollar-Angelegenheit« vergangen sind, ist der Umfang der Energieträger, die das Unternehmen durchlaufen, um 70 Prozent gestiegen. Ob es wohl am gesteigerten Interesse des einflussreichsten Mannes in Russland liegen mag?
Surgutneftegas hat 2012 das erste Mal seit zehn Jahren seine Bilanzen nach internationalen Standards veröffentlicht (das erste und letzte Mal geschah dies 2001). Viele Zahlen in dieser Rechnungslegung sind nachvollziehbar und verständlich. Zum Beispiel lag der Reingewinn des Konzerns im Jahr 2012 bei 2 Milliarden Dollar.
Aber das Wichtigste und fast Einzige, was immer noch unverständlich bleibt, ist die Eigentümerstruktur des Energiegiganten. 67 Prozent der Aktien an Surgutneftegas unterliegen einem komplizierten Kontrollsystem gemeinnütziger Organisationen und nichtstaatlicher Rentenfonds. Als Manager all dieser juristischen Personen erscheinen Mitarbeiter des Konzerns, wobei diese nicht unbedingt hohe Positionen einnehmen – es gibt unter ihnen auch durchaus technisches Personal.
Aber der größte Witz liegt in etwas anderem. Nach der russischen Gesetzgebung teilen weder die gemeinnützigen Organisationen noch die nichtstaatlichen Rentenfonds ihre Gewinne unter ihren Gründern auf. Die Gründer wiederum haben keinerlei Recht auf eine Eigentümerschaft am Vermögen dieser Strukturen mit dem gegebenen juristischen Status. Das bedeutet, dass zwei Drittel der Aktien des drittgrößten Gasherstellers Russlands von irgendjemandem informell verwaltet werden. Dieser Jemand hätte schon längst die Aktien auf eigene Unternehmen umschreiben können, seien es russische oder ausländische. Aus irgendwelchen Gründen kann er es aber nicht. Noch nicht. Bis er von seinem Amt zurücktritt, wird sich daran auch kaum etwas ändern. Daher auch die verwirrenden und undurchsichtigen Besitzverhältnisse. Und was wird nach seinem Rücktritt sein? Wir werden sehen.
Auch das Motiv von Surgutneftegas, seine Bilanzen nach den International Financial Reporting Standards unerwartet zu veröffentlichen, macht einen nachdenklich. Warum war das jetzt notwendig, nach der elfjährigen Pause? Was hat sie dazu gebracht? Ist das nicht ein indirektes, aber sicheres Zeichen dafür, dass der Deal mit Rosneft in naher Zukunft zustande kommen wird? Und dann werden die vielzähligen gemeinnützigen Organisationen zusammen mit den nichtstaatlichen Rentenfonds etwa 20 Milliarden Dollar erhalten, und schalten und walten kann über sie nur …
Wie ein Sprichwort sagt, sind stille Wasser tief. Und wenn ein stilles Wasser fast so groß ist wie der Pazifik, dann kann man sich vorstellen, wie tief es ist und welche Überraschungen einen dort erwarten.
Lohnenswert ist außerdem ein genauerer Blick auf Rosneft, dessen Präsident 2012 Igor Setschin wurde – engster Mitstreiter von Putin noch im Bürgermeisteramt von St. Petersburg. Gerüchteweise wird behauptet, dass Russland solchen engen Mitstreitern die Entstehung der absolut ehrlichen Korruption zu verdanken hat.
Das finden Sie verwunderlich? Man muss dazu wissen, dass es Anfang der 1990er-Jahre in unserem Land üblich war, Bestechungsgelder in einem Koffer mit sich zu führen und die Präsente direkt in die Zimmer der Bürokraten oder zumindest in die Lobbys teurer Hotels zu bringen. Das Ergebnis war, dass sowohl die Empfänger von Bestechungsgeldern (Beamte) als auch die Geber (Geschäftsleute) nicht selten aufflogen: Konkurrenten hetzten ihnen die Rechtsschutzorgane auf den Hals, die an den entsprechenden Orten vorab Audio- und Videoüberwachungsgeräte für die Aufzeichnung des Korruptionsverbrechens installierten.
Völlig anders gestalten sich die »ehrlichen« Bestechungen. Das sieht dann folgendermaßen aus: Sie geben dem Beamten, der ehrlich ist, nichts. Sie nehmen nur für eine a priori überhöhte Summe (zum Beispiel 10 Millionen Dollar) die Dienste einer Rechtsanwaltskanzlei in Anspruch, die auf den ersten Blick nichts mit dem hochgestellten Bürokraten zu tun hat. Die Kanzlei bereitet dann derartig überzeugende Papiere vor, dass Sie einen Privatisierungswettbewerb einfach nicht verlieren können. Und das völlig gerecht und transparent. Daran ist nichts Verdächtiges, und man kann so viele Audio- und Videoaufzeichnungen machen, wie man will.
Oder es gibt die alternative Variante: Der Beamte gibt Ihnen, weil er Ihnen helfen möchte (denn die wichtigste Aufgabe jeglichen Beamten ist es, einem Bittsteller allein für
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