Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
unvergleichlich wichtiger ist. Warum ist er nicht für seine Landsleute in Lettland eingetreten? Weil bereits 2005 auf den Konten der lettischen Banken fast 4 Milliarden Dollar ruhten, die den Vertretern der politisch-wirtschaftlichen Elite des modernen Russland gehörten. Und eine Verbreitung der Information über diese Konten wäre für die wandelnden Symbole der Putin’schen Stabilität tödlich gewesen. Übrigens werden gerade Verhandlungen über den Kauf des lettischen Öltransitunternehmens Ventspils Nafta durch ein verehrtes russisches Unternehmen über eine deutsche Investitionsbank geführt. Wäre es etwa angebracht, in einer solchen Situation von den lieben lettischen Freunden noch mehr zu verlangen?
Und warum kapitulierte Russland, das objektiv über alle Schalthebel eines politischen und wirtschaftlichen Einwirkens auf Georgien verfügte, voreilig vor dem ungeliebten Micheil Saakaschwili und zog in einer Hauruck-Aktion die Militärstützpunkte ab? Weil der Kreml in der Tiefe seiner Krämerseele tatsächlich nicht versteht, wozu er diese Stützpunkte eigentlich braucht.
Sehr geehrte Herrschaften der internationalen Kreml- und Putin-Forschung! Lassen Sie von den Büchern über Mussolini und Fidel Castro und holen Sie sich lieber aus einer Universitätsbibliothek die Biografie des philippinischen Ex-Präsidenten Ferdinand Marcos oder, sagen wir, des ehemaligen Herrschers von Zaïre mit Namen Mobutu Sese Seko Kuku Ngbendu wa za Banga, was so viel heißt wie »Allmächtiger Krieger, der kraft seiner Zähigkeit und seines unerschütterlichen Siegeswillens vieles erobert und dabei Brandstätten zurücklässt«. Und alles wird auf der Stelle klar.
Jeder hat seine Ambitionen und seine Schrullen. Bloß gut, wenn diese Schrullen auf Kosten des Staates gehen, besonders wenn es sich dabei um Russland handelt, das über ausreichende Reserven verfügt, solange der Weltpreis für Rohöl nicht unter 80 Dollar pro Barrel sinkt.
Im Herbst 2007 bat mich die Zeitung Die Welt um eine Einschätzung, wie reich der russische Präsident sei. Ich antwortete ihnen, dass Putin meinen Berechnungen zufolge zu den reichsten Menschen Europas gehört. Geht man von der begründeten Voraussetzung aus, dass er als Begünstigter 4,5 Prozent der Aktien von Gazprom kontrolliert, die Hälfte des Kontrollpakets an der Ölfirma Surgutneftegas sowie 50 Prozent der Aktien des weltweit viertgrößten Energiehändlers Gunvor, dann kann man das Vermögen des Kremlherrn auf 40 Milliarden Dollar schätzen.
Kurz danach im selben Jahr 2007 untersuchte der bekannte britische Journalist Luke Harding dasselbe Thema für The Guardian . Daraufhin untersagte man Herrn Harding die Einreise nach Russland – aber ich denke, das lag nicht am Material, sondern am gesteigerten Interesse des Journalisten am Fortgang der Bauarbeiten für die Olympiade 2014 in Sotschi und dem ausgiebigen Diebstahl auf diesen Baustellen. Dennoch glaube ich nicht, dass Luke die »Saga von den 40 Milliarden Dollar« bedauert. Allein auf der Website des Guardian haben fast 500 000 Menschen seinen Artikel gelesen.
Nach alldem kam es im ausklingenden Jahr 2007 noch zu einem grandiosen Skandal. In Russland wurde der Inhalt der Artikel aus Die Welt und The Guardian von fast allen bekannten Verlagshäusern neu publiziert, sogar von jenen, denen allein die Nennung meines Namens aus politischen Gründen verboten war. Journalisten, die mich anriefen, begannen ihre Fragen mit dem traditionellen: »Haben Sie das wirklich gesagt?« Nach einer bestätigenden Antwort kam es zu einer kleinen Pause: Man konnte nicht glauben, dass ein einfacher russischer Bürger so etwas öffentlich sagen konnte. Und viele meiner Freunde und Bekannten berührten mich in dieser Zeit bei Zusammenkünften vorsichtig mit dem Zeigefinger, als wollten sie sich davon überzeugen, dass ich es wirklich bin, dass man mich noch nicht umgebracht oder ins Gefängnis gesperrt hat.
Nach Auskünften der russischen politischen Wochenzeitschrift The New Times (2012), die dem Klassiker unseres unabhängigen Fernsehens, der Gründerin von RenTV Irena Lesnewskaja gehört, wurde im Kreml wegen der »40-Milliarden-Dollar-Angelegenheit« eine Besprechung unter Beteiligung der Bosse der staatlichen Nachrichtenpolitik und von Vertretern staatlicher Gewaltorgane abgehalten. Bei der Besprechung standen vor allem zwei Fragen auf der Tagesordnung:
• Wie kann man das Durchsickern von Informationen über die Aktiva des Präsidenten
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