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Wo bist du und wenn nicht wieso

Wo bist du und wenn nicht wieso

Titel: Wo bist du und wenn nicht wieso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Mary
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identischer Sachverhalte, anerkannt wird. Warten ist für ihn etwas ganz anderes als für sie. Warten ist für ihn so schlimm wie es schlimm für sie wäre, ungeschminkt aus dem Haus zu gehen. Aber zu solchen Einsichten würden die beiden nur vordringen, wenn sie aufeinander eingingen und in Beziehung blieben.
Die andere Wirklichkeit anerkennen
    Um auf den Partner zu reagieren, muss man dessen Deutung der Lage, dessen Sicht der Dinge und dessen Verhaltensgründen Raum in der eigenen Wahrnehmung geben. Man braucht es nicht zu verstehen – und kann das meist auch nicht oder jedenfalls nicht sofort. Aber man muss anerkennen, dass es so ist: Es gibt zwei Wahrheiten. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, können neue Informationen die Abläufe beeinflussen. Erst dann ist man in Beziehung. Und damit verändert sich alles, auch die Situation der Partner aus den beiden letzten Beispielen.
    Die Frau des untreuen Mannes erklärte sich nach einiger Zeit bereit, mit in die Beratung zu kommen. Dort sagte ihr Mann: »Es war keine Liebe. Es ist nur so, dass ich mit dieser Frau sprechen konnte. Sie hat mir zugehört.« Das war eine neue Information für die Frau. Aber eine Information, die es in sich hatte. Ihr klappte buchstäblich die Kinnlade herunter, aber sie blieb auf den Partner bezogen und setzte sich mit seinen Motiven für den Seitensprung auseinander. Und dadurch gab sie der Beziehung die Chance zu bestehen.
    Die Frau, die ihren Freund nicht in den Mietvertrag nehmen wollte, erzählte in der Beratung von ihrem Misstrauen und ihrer Angst. Ihre Mutter war vom Vater um den Unterhalt betrogen worden, und sie selbst war vor Jahren von einem Mann um einen größeren Betrag geprellt worden. Ihre Zurückhaltung bedeutete also nicht, dass sie an einer Beziehung nicht interessiert wäre, sondern dass ihr das Vertrauen bezüglich materieller Dinge abhandengekommen war. Als ihr Freund von diesen Ängsten erfuhr, erkannte er selbst, dass ihr Verhalten kein Grund war, aus der Beziehung zu ihr auszusteigen.
    Wer auf sich selbst reagiert, steigt schnell aus einer Beziehung aus. Während einer Beziehungsanbahnung ist die Ausstiegsgefahr dann besonders groß, wenn wunde Punkte berührt werden, von denen der Partner wenig wissen kann, wie in den beiden Beispielen oben. Denn wunde Punkte sind Ausstiegspunkte. Wird ein wunder Punkt berührt, schnappt der suchende Single leicht ein. Dann ist er sich seiner Deutung so sicher, dass es ihm schwerfällt, bezogen zu bleiben. Das ist der Vergangenheit zu verdanken, in der die Wunden entstanden sind. Die Deutung ist sozusagen vorprogrammiert, sie bietet sich von selbst an.
Auf den Partner reagieren
    Eine zu schnelle Deutung liegt aber nicht nur oft daneben, sie verhindert darüber hinaus, dass sich tiefere Gefühle und festere Verbindungen bilden. Diese werden aber gebraucht, damit sich Passung ergeben kann. Suchende Singles sollten daher bestrebt sein, ihre Reaktionen aufeinander so lange aufrecht zu erhalten, bis sie ganz sicher sind, auf den Partner und nicht auf sich selbst zu reagieren.
    Leider ist die Unterscheidung der beiden Reaktionsweisen im Eifer des Gefechtes nicht immer leicht zu treffen. Könnten Sie im folgenden Beispiel sofort erkennen, ob es sich um eine Reaktion auf sich selbst oder das Gegenüber handelt?
    Ein Kind sagt: »Ich bin traurig, weil mein Ball kaputt gegangen ist.« Die Eltern antworten ihm: »Du brauchst nicht traurig zu sein, wir kaufen dir einen neuen Ball.« Ist das eine Reaktion auf eigene Deutungen, oder ist das Bezogenheit? Es ist eine Reaktion auf sich selbst, wenn auch eine milde, wie sich durch die Antwort des Kindes zeigt. Das Kind entgegnet nämlich empört: »Aber den Ball hat mir Opa geschenkt!« Die Eltern lagen daneben, es ging nicht um einen Ball, es ging um diesen Ball.
    Die Eltern hätten bezogener sein können, indem sie beispielsweise gesagt hätten: »Das ist aber traurig. Möchtest du einen neuen Ball?« Oder indem sie mitfühlend gefragt hätten: »Was ist denn besonders an diesem Ball?« Dann hätten sie die Gefühle des Kindes anerkannt und ihm nicht erzählt, es bräuchte nicht traurig zu sein. Immerhin haben die Eltern die Kurve bekommen und nicht nachgelegt, etwa mit einer Bemerkung wie: »Stell dich nicht so an, Ball ist Ball.« Das hätte zu einem kleinen Ausstieg aus der Beziehung durch das Kind geführt, weil sich seine Eltern nicht auf das Kind bezogen, sondern es in die eigene Wahrnehmungswelt eingeordnet hätten.
In Ruhe und

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