Wo bist du und wenn nicht wieso
gerade von ihr annehmen würde, ob sie ihm denn einen Anlass dazu geben habe. Nein, sagt er, aber er würde sie mögen und habe geglaubt, er komme ihr damit entgegen. Die Aussage, er würde sie mögen und wolle ihr entgegenkommen – statt sie zu vereinnahmen – versöhnte die Frau etwas, weshalb das Gespräch weiterlief. Beide erzählten einander anschließend von Erfahrungen mit anderen potenziellen Partnern, die sie nicht recht einordnen konnten. Das war der interessanteste Teil des Gesprächs. Sie trafen sich noch häufiger, verbrachten auch eine Nacht miteinander, kamen dann aber zu dem Ergebnis, dass es nicht ausreichend gefunkt hatte. »Aber«, so sagt die Frau rückblickend, »es ist nichts Negatives zurückgeblieben, es war sogar eine gute Erfahrung.«
Diese interessante Erfahrung war möglich, weil die Frau nicht verurteilte, sondern sich konsequent wunderte. So wie man sich ganz automatisch auf Reisen wundert, wenn man fremden Bräuchen begegnet. Dann verurteilt man diese nicht, sondern wundert sich und forscht nach deren Sinn. Wer sich dem potenziellen Partner gegenüber konsequent wundert, lässt die Möglichkeit offen, dass auch das merkwürdigste Verhalten einen Sinn ergeben muss – auf jeden Fall für den, der es an den Tag legt. Im obigen Beispiel sollte der Ring signalisieren: »Ich mag dich und ich will deinen Erwartungen entgegenkommen.« Er hat aber bei der Frau den Eindruck erzeugt, sie vereinnahmen zu wollen. Dass es nicht gleich zum Bruch kam, war der Fähigkeit der Frau zu verdanken, sich konsequent zu wundern und das eigene Urteil hintanzustellen.
Staunen Sie!
Etwas höhere Anforderungen als das Wundern stellt das Staunen an den suchenden Single. Wer sich wundert, ist nicht sonderlich betroffen und behält per se etwas Offenheit. Wer einen Vorfall bestaunt, steht hingegen nahe an der Schwelle zur Empörung.
So erging es einem Mann, der zum gemeinsamen Essen in der Wohnung einer »sehr interessanten Frau« eingeladen war. Beim Essen unterhielten sie sich angeregt, dann verschwand die Frau in der Küche, um den Nachtisch zu bereiten. Der Mann sah sich im Wohnzimmer um, im Bücherregal fiel sein erstaunter Blick auf eine kleine Sammlung von fünf Pornovideos. So etwas hatte er noch nicht gesehen, zumindest bei einer Frau, und er war »bass erstaunt«. Augenblicklich setzte eine Reaktion ein. »Ich habe gemerkt, wie ich innerlich Abstand zu der Frau nahm.« Als sie aus der Küche kam, drückte er sein Erstaunen aus, obwohl es ihm nicht leicht fiel, dieses in neutrale Worte zu fassen. Sie erklärte ihm, die Pornos wären »von ihrem geschiedenen Mann«. Er beruhigte sich und rückte ihr innerlich wieder etwas näher. Als die Frau ihm dann sagte, sie habe die Filme behalten, weil sie »sehr ästhetisch sind und ich sie manchmal ansehe, um mich zu stimulieren«, war er wiederum verunsichert und fühlte sich hin- und hergerissen. Er wusste nicht recht, was er davon halten sollte, und fragte deshalb nach, ob sie die Stimulierung auch beim Sex mit einem Mann brauche. Sie lachte, verneinte das und erklärte ihm, dass es sich dabei um »Sex mit mir selbst«, also um Selbstbefriedigung, handle und dass sie sich zu allen Zeiten unabhängig vom Partner auch selbst befriedigt habe. Dem Mann erschien das nicht fremd, er tat das Gleiche, nur ohne Pornofilme. Ihm war mittlerweile, als habe das Thema ihn näher an die Frau gebracht. In so kurzer Zeit hatte er sich nie zuvor über derart intime Dinge unterhalten. Die Frau machte auch keine Anstalten sexueller Annäherung, was ihn weiter beruhigte. Sie verabredeten sich erneut.
Erforschen Sie Rätsel!
Die große Gefahr bei den Treffen in der Kontaktphase besteht darin, einander in Schubladen zu stecken und vorgefertigten Reaktionsschemata zu folgen. Jeder tut so, als wüsste er genau, was diese Äußerung oder jenes Verhalten zu bedeuten habe. Dabei sind viele Verhaltensweisen rätselhaft. Selbst wenn zwei Männer unabhängig voneinander Eheringe zu einem ersten Treffen mitbringen, hat das für jeden eine andere Bedeutung, und es stehen unterschiedliche Geschichten dahinter. Der eine war vielleicht noch nie verheiratet und verspricht sich von dem Ritual das große Glück, der andere mag die Frau ins Bett bringen wollen, indem er ihr das Blaue vom Himmel verspricht.
Eine Frau bekam beim dritten Treffen ein wertvolles Geschenk von ihrem Verehrer. Sie lehnte es nicht ab und nahm es auch nicht an. Stattdessen rätselte sie offen über den unerwarteten Vorgang:
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