Wo bist du und wenn nicht wieso

»Ich rätsle schon eine ganze Weile, welchen Sinn dieses Geschenk machen soll.« Der Mann meinte, sie solle es ruhig annehmen, er könne es sich leisten. Daraufhin lehnte sie das Geschenk freundlich ab, nun war es an dem Mann zu staunen. Er erfuhr, dass sie solche Geschenke nur annehme, wenn sie von Herzen kämen. Der Mann war betroffen, aber das Gespräch ging weiter, und zwar auf einer vertieften Ebene.
    Wie soll man den Sinn und die Bedeutung von Äußerungen und Verhaltensweisen erkennen, ohne das Gegenüber in Schubladen zu stecken? Wie soll man für eine interessante Erfahrung sorgen? Dazu sind die Werkzeuge Neugier, Wundern und Staunen unerlässlich. Mit diesen Werkzeugen intelligenter Dummheit lassen sich mehr und neue Informationen hervorholen, die man bis dahin nicht sah, nicht wusste, nicht dachte oder nicht für möglich gehalten hätte – und die deshalb die Bedeutung der Vorgänge verändern.
Reaktionen folgen auf Reaktionen
    Wem es gelingt, bei Treffen neugierig zu bleiben, sich zu wundern und immer wieder zu staunen, für den klärt sich das Bild nach und nach. Er lässt negativen und positiven Gefühlen Zeit, sich zu bilden und sich zu verändern. So stellt sich allmählich heraus, wie die beiden potenziellen Partner aufeinander reagieren und was dadurch entsteht: Abneigung oder Gleichgültigkeit oder mehr Zuneigung. Diese gründlichere Klärung ist möglich, wenn kein Schnellgericht einberufen und keine Ego-Falle aufgebaut wird, und man sich stattdessen auf sein Gegenüber bezieht und so die Kette der Reaktionen aufeinander verlängert.
    Die Erfahrung, den anderen als Rätsel zu sehen und den Kontakt zu ihm zu verlängern, kann phasenweise wichtiger werden als das vermeintliche Ziel, den Partner fürs Leben zu finden. Eine Frau, die ein Jahr lang die drei Werkzeuge konsequent angewendet hatte, sagte darüber: »Ich habe zwar noch nicht den Richtigen getroffen, aber ich komme immer mehr zu mir und mache auch keinen Hehl mehr daraus, wie ich bin.« Die Frau beschreibt hier ein wichtiges Ziel, das ich mit diesem Ratgeber verfolge: Sie beschreibt, wie ihre Fähigkeit zunimmt, in Beziehung zu sein, sich in Beziehung zu zeigen und darin zu bewegen. Von dort aus ist der Schritt in die Annäherungsphase nicht mehr so groß. Doch bleiben wir noch einen Moment in der Kontaktphase.
Bereiten Sie sich auf Kontakte vor!
    Ich möchte Ihnen jetzt eine Übung ans Herz legen, mit der Sie sich auf zukünftige Treffen mit potenziellen Partnern vorbereiten können – und zwar so, dass Sie den Ablauf verändern können.
    Während Sie die letzten Abschnitte gelesen haben, sind Ihnen vielleicht Situationen eingefallen, in denen Sie emotional reagiert haben und in denen es Ihnen auch zukünftig schwer fallen würde, neugierig zu bleiben, sich auf neutrale Weise zu wundern und offen zu staunen. Meist werden in solchen Situationen wunde Punkte berührt und Reaktionsschemata ausgelöst. Die folgende Übung wird Sie auf solche Situationen vorbereiten und Ihnen helfen, Ihr Reaktionsschema zu durchbrechen.
    Wer sich auf eine Begegnung vorbereitet, bekommt normalerweise gute Tipps mit auf den Weg. »Mach dir die Fingernägel sauber, zieh was Schönes an, bring Blumen mit oder Pralinen, erzähl nichts von deinem Ex, wirke selbstsicher, übertreibe ein wenig oder lüge was das Zeug hält.« Die Qualität der Ratschläge verändert sich mit der Qualität der Ratgeber. Solche Tipps mögen richtig oder falsch sein, auf jeden Fall sind sie pauschal. Ich möchte Ihnen eine andere, individuelle Art der Vorbereitung auf Begegnungen empfehlen: Schreiben Sie ein Drehbuch!
Drehbuch einer misslungenen Begegnung
    Einem suchenden Single dürfte so etwas nicht schwer fallen, denn er hat schon einige oder zahlreiche solcher »Reinfälle« mit oft ähnlichem Ablauf erlebt. Hinterher sagt man: »Mist, dass ich immer ausflippe« oder »Mist, dass ich das schon wieder hingenommen habe« oder »So was passiert mir doch immer wieder.« Genau um solche typischen Situationen geht es in dem kleinen Drehbuch. Es geht nicht um Erfolg, sondern um Misserfolg. den Sie absichtlich herbeiführen.
    Das Wichtigste an diesem Drehbuch ist, dass der Hauptdarsteller, also Sie, so geschildert wird, wie er sich typischerweise verhält. Schreiben Sie das Drehbuch auf ein Blatt. Ich möchte diese Aufgabe mit zwei typischen Beispielen verdeutlichen. Einmal anhand eines Bestimmers, dann am Beispiel eines Beschwichtigers. Das sind die anfangs skizzierten extremen