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Wo bist du

Wo bist du

Titel: Wo bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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mit ihrem Jeep und zehn Sack Maismehl auf den Weg zu Alvarez. Sie traf gegen drei Uhr ein, und nachdem die Säcke ausgeladen waren, aßen sie zusammen in seinem Haus. Er fand, dass sie schlecht aussah, und fragte, ob sie nicht für ein paar Tage in die Berge kommen und sich er-holen wolle. Sie versprach, über das
    Angebot nachzudenken, schlug aber die Einladung, im Dorf zu übernachten, aus und machte sich noch am frühen Abend auf den Heimweg. Da sie wusste, dass sie nicht würde einschlafen können, fuhr sie an ihrem Haus vorbei zur Taverne, die trotz der späten Stunde noch geöffnet war.
    Sie trat in die Bar und klopfte energisch den Staub von Jeans und Pullover. Sie bestellte einen doppelten Rum. Der Mann hinter der Theke griff nach der Flasche und stellte sie vor sie hin. Er musterte sie und schob ein Glas neben die Flasche. »Bedien dich selbst. Zum Glück hast du noch deine Brüste und deine langen Haare, denn sonst würde man glauben, du wärest ein Mann.«
    »Was ist der Sinn dieser tief schürfenden Bemerkung, wenn ich fragen darf?«
    Er beugte sich zu ihr vor, senkte die Stimme und sagte belehrend und doch wie ein Komplize:
    »Du bist zu oft in Begleitung von Männern oder nicht lange genug in Begleitung desselben Mannes. Die Leute hier reden schon über dich.« »Und was reden sie so, die Leute hier?«
    »Sprich nicht in diesem Ton mit mir, Dona Blanca! Ich wiederhole dir nur laut, was die anderen hinter vorgehaltener Hand flüstern.« »Natürlich, denn wenn ihr Männer euern Schwanz zeigt, seid ihr die großen Frauenhelden, aber wenn eine Frau nur eine Busenspitze zeigt, ist sie gleich eine Hure. Aber, weißt du, damit ein Mann mit einer Frau schläft, muss er erst mal eine haben.«
    »Verletze nicht die Herzen der Frauen im Dorf, das ist alles, was ich sage.«
    »Einige haben es mir zu verdanken, dass es noch schlägt; also können sie mich mal!«
    »Niemand von uns hat dich um Almosen oder um Hilfe gebeten. Wenn es dir hier nicht gefällt, dann geh zurück nach Hause. Sieh dich doch an, wie du aussiehst! Wenn ich denke, dass du die maestra bist, die den Kindern etwas beibringen soll, dann frage ich mich, was sie lernen.«
    Ein alter Mann, der an der Theke lehnte, machte ihm ein Zeichen zu schweigen; Susans Augen verrieten, dass er zu weit gegangen war. Mit einer energischen Geste nahm der Kellner die Flasche wieder an sich und stellte sie ins Regal; den Rücken ihr zugewandt, verkündete er, das Glas gehe aufs Haus. Der Alte deutete ein mitfühlendes Lächeln an, das seine Zahnstummel entblößte, doch sie hatte sich schon umgedreht, um aus dem Lokal zu flüchten. Draußen stützte sie sich auf die Balustrade und entledigte sich von allem, was ihr Magen enthielt. Dann kauerte sie sich hin, um wieder zu Atem zu kommen. Später, auf dem Weg nach Hause, hob sie das Gesicht zum Himmel, wie um die Sterne zu zählen, doch ihr wurde schwindelig. Völlig erschöpft schleppte sie sich auf ihre Veranda.
    10. Mai 1978 Philip,
    wir haben uns diesen Winter nicht sehr oft geschrieben, manche Zeiten sind eben schwieriger als andere. Ich möchte unbedingt von dir hören, möchte wissen, wie es dir geht, ob du glücklich bist. Dein Plakat hängt über meinem Bett, ich habe den Blick von unserem Hügel auf Manhattan wiedererkannt. Manchmal vertiefe ich mich so sehr hinein, dass ich mir einbilde, eines der kleinen Lichter sei das vom Fenster deines Zimmers. Du arbeitest gerade an einer Zeichnung. Du streichst mit der Hand durch dein zerzaustes Haar, so wie du's immer getan hast, und kaust an deinem Stift, denn du wirst dich nie ändern. Es berührt mich sehr, diese Momentaufnahme unserer Kindheit zu sehen. Ich bin wirklich ein sonderbarer Mensch. Du fehlst mir, und es fällt mir so schwer, es zuzugeben. Glaubst du, dass Liebe Angst machen kann, sodass man die Flucht ergreift? Ich habe den Eindruck, gealtert zu sein.
    Die Geräusche in meinem Haus wecken mich nachts und lassen mich nicht wieder einschlafen. Mir ist kalt, dann wieder heiß, und jeden Morgen beim Aufstehen lastet mir das auf der Seele, was ich am
    Vortag nicht erledigt habe. Das Wetter ist mild, und ich könnte dir die Landschaft beschreiben, die mich umgibt, dir von jeder Minute meines Tagesablaufs erzählen, nur um weiter mit dir zu reden. Ich komme dich dieses Jahr früher besuchen, schon Mitte Juni, und ich kann es kaum erwarten, dich zu sehen, denn ich muss dir etwas wirklich Wichtiges erzählen, ein Geheimnis, das ich heute und für immer mit dir

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