Wo bist du
noch am Boden lagen, und räumte sie ins Regal. Bis zum Einbruch der Dunkelheit machte sie sich weiter in der Scheune zu schaffen, fest entschlossen, Wut und Tränen niederzukämpfen. Als sie sich beruhigt hatte, setzte sie sich nach draußen vor die Scheune. An die Wand gelehnt, spürte sie, wie das Holz seine am Tag gespeicherte Wärme an ihren Rücken abgab. Es war ein wohltuendes Gefühl. Mit der Fußspitze zeichnete sie Buchstaben in den Staub, ein großes P, das sie eine Weile betrachtete, bevor sie es mit dem Fuß verwischte, dann ein großes J, und sie murmelte: »Warum bist du gegangen, Juan?« Als sie in ihr Haus zurückkam, war Sandra fort.
12. Februar 1978 Susan,
dies ist der Anfang einer Schlacht, wie du sie noch nie erlebt hast, einer Schneeballschlacht. Ich weiß, du lachst über unsere Unwetter, doch der Schneesturm, der sich vor drei Nächten über uns ausgetobt hat, ist unbeschreiblich, und ich sitze seither in meiner Wohnung fest. Die ganze Stadt ist durch eine zum Teil meterhohe Schneedecke lahm gelegt. Als heute Morgen endlich die Sonne wieder zum Vorschein kam, haben Groß und Klein die Gehsteige bevölkert, daher mein erster Satz. Es ist eiskalt, aber ich glaube, ich werde später riskieren, mich mit Lebensmitteln einzudecken. Wie unglaublich schön die Stadt ist! Deine Briefe fehlen mir. Wann kommst du? Vielleicht könntest du diesmal versuchen, zwei oder drei Tage zu bleiben?
Das Jahr lässt sich gut und vielversprechend an. Die Geschäftsführung ist mit meiner Arbeit zufrieden. Du würdest mich nicht wiedererkennen, ich gehe fast jeden Abend aus, wenn ich nicht bis zum Morgengrauen arbeite, was häufig vorkommt. Es ist eigenartig, dir von meinem Beruf zu erzählen, als wären wir plötzlich in die Welt der Erwachsenen eingetreten, ohne es bemerkt zu haben. Eines Tages werden wir von unseren Kindern erzählen und realisieren, dass wir die Eltern geworden sind. Fang nicht wieder an, Grimassen zu schneiden, ich kann es bis hierher sehen! Wenn ich sage »unsere Kinder«, so ist das nicht wörtlich gemeint, ich will nicht sagen die deinen und meinen, es ist nur eine Redensart, ich hätte genauso schreiben können »unsere Enkel«, aber du hättest sofort gedacht, dass du gar nicht so alt würdest, um Großmutter zu werden. Du und deine pessimistischen Gewissheiten! Wie dem auch sei, die Zeit hier vergeht wie im Flug, und ich warte auf den Frühling, der mir mit großem Optimismus ankündigen wird, dass deine Ankunft näher rückt. Und ich verspreche dir, dieses Jahr wird es keine Polemik geben, ich werde nur zuhören, was du mir zu erzählen hast, und wir genießen diese kostbare Zeit, auf die ich jedes Mal warte wie auf Weihnachten im Sommer. In Erwartung dieser schönen Zeit soll es Küsse regnen,
Philip
Am Valentinstag fuhr Philip mit Mary zum Busbahnhof. Sie nahmen den 33 er, der Manhattan mit Montclair verbindet, und stiegen nach einer Stunde Fahrt an der Kreuzung Grove Street/Alexander Avenue aus. Bei einem Spaziergang durch die Stadt zeigte er ihr die Plätze seiner Kindheit. Als sie vor seinem alten Haus standen, fragte sie, ob er seine Eltern vermisse, seitdem sie in Kalifornien lebten; er antwortete ihr nicht. An der Nachbarfassade war das Fenster von Susans einstigem Zimmer erleuchtet. Ein anderes kleines Mädchen war vielleicht gerade dabei, seine Hausaufgaben zu machen. »War es ihr Haus?», fragte Mary.
»Ja, wie hast du das erraten?»
»Ganz einfach an deinem Blick, er war so entrückt und fern.«
»Weil die Zeit weit zurückliegt.«
»Vielleicht gar nicht so weit, Philip.«
»Ich lebe jetzt in der Gegenwart ...«
»Eure Vergangenheit ist so intensiv, dass sie mich manchmal daran hindert, eine Zukunft für uns zu sehen. Ich träume nicht von der perfekten Liebe, aber ich will nicht im Konditional leben und noch weniger im Imperfekt.«
Um von dem Thema abzulenken, fragte er sie, ob sie sich vorstellen könne, eines Tages hier zu leben. Sie antwortete mit einem Lachen und sagte, mit mindestens zwei Kindern an den Rockzipfeln wäre sie vielleicht bereit, sich in der Provinz niederzulassen. Oben von den Hügeln, erklärte Philip, könne man sogar Manhattan sehen, das mit dem Wagen in einer halben Stunde zu erreichen sei. Eine Stadt aus der Ferne zu sehen oder darin zu leben waren nach Marys Ansicht zwei Paar Schuhe. Sie hatte schließlich nicht Journalismus studiert, um in einer amerikanischen Kleinstadt zu leben, auch wenn der Big Apple in Reichweite liege. Auf jeden Fall
Weitere Kostenlose Bücher