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Wo bist du

Wo bist du

Titel: Wo bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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eilte an seiner verdutzten Frau vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Als er schon draußen war, drehte er sich um und rief ihr zu, sie solle drinnen warten. Sie hatte ihn noch nie so autoritär erlebt.
    Durch das kleine Fenster neben der Eingangstür sah sie ihn der Frau folgen, die in ihrem Leben weit mehr als nur diesen einen Sonntag auf den Kopf stellen sollte.
    Die Frau, die rechts neben dem Fahrer gewartet hatte, stieg aus dem Wagen. Philip blieb stehen und sah sie lange an. Sie wich seinem Blick aus, öffnete die hintere Tür und nahm auf dem Rücksitz Platz. Er ging um den Wagen herum und setzte sich neben sie. Es begann erneut zu nieseln. Mary konnte nicht erkennen, was sich im Innern des Wagens abspielte, und noch weniger vermochte sie ihre Angst niederzukämpfen.
    »Was treiben die da, verdammt noch mal!«
    »Wer?«, fragte Thomas, den Blick weiterhin auf den Computerbildschirm gerichtet.
    »Dein Vater«, murmelte sie.
    Doch der Junge war zu sehr in sein Spiel vertieft, um seiner Mutter Beachtung zu schenken. Nach Philips Gestik zu urteilen, musste er sehr erregt sein. Das sonderbare Gespräch nahm kein Ende, und Mary wollte sich schon anziehen und sich einmischen, als sie Philip plötzlich aussteigen sah. Halb vom Wagen verdeckt, machte er ein Zeichen mit der Hand, das wie ein Abschied aussah. Mary stöhnte vor Ungeduld auf, als sie ihren Mann erneut in den Chrysler steigen sah. »Tom, hol mir dein Fernglas, aber schnell!«
    Die Stimme seiner Mutter ließ keinen Zweifel, dass sich jede Diskussion erübrigte. Er drückte auf die Taste »Pause« und stürzte die Treppe hinauf. Er wühlte in seiner Spielzeugkiste, fand den gewünschten Gegenstand, aber auch das unerlässliche Zubehör, an das seine Mutter nicht gedacht hatte. Wenige Minuten später erschien er ausstaffiert mit Helm, Kampfweste, grünem Tarnnetz, umgehängter Patronentasche und Überlebensgürtel, versehen mit Gummimesser, Feldflasche, Revolver und Walkie-Talkie. So pflanzte er sich vor seiner Mutter auf und salutierte mit seinem linken Arm. »Ich bin bereit«, sagte er und stand stramm.
    Sie schenkte der Aufmachung ihres Sohns keine Beachtung und entriss ihm das Fernglas. Sehr viel besser aber konnte sie damit auch nicht sehen, da die Vergrößerung schwach und das Glas verkratzt war. Ihren Mann, der von der anderen Person halb verdeckt war, erahnte sie nur. Er saß weit vorgebeugt, als wollte er den Kopf auf die Knie legen. Und plötzlich riss ihr vor Sorge der Geduldsfaden, und sie trat auf die Veranda. Der Motor des Chrysler sprang an, und Mary fühlte ihr Herz schneller schlagen. Die Wagentür öffnete sich, und Philip stieg wieder aus; sie sah nur seinen Kopf, sein Körper war noch immer vom Wagen verdeckt. Er machte erneut ein schüchternes Handzeichen, trat einen Schritt zurück, und der Wagen fuhr langsam davon. Philip blieb unbewegt auf der Straße stehen, während der Regen in immer dickeren Tropfen auf den Asphalt prasselte.
    Und dann traute Mary ihren Augen nicht.
    Philips ausgestreckter Arm wurde von einer kleinen Hand verlängert. Das Bündel, das sie in der anderen trug, schien nicht schwer zu sein.
    Und so sah Mary sie zum ersten Mal mit ihrem roten Ball in diesem fahlen Licht, in dem die Zeit zu erstarren scheint. Ihr schwarzes wirres Haar fiel ihr bis auf die Schultern, der Regen rann über ihre Mestizenhaut. Sie schien sich in ihrem engen Kleidchen unwohl zu fühlen.
    Begleitet von grollendem Donner, kamen die beiden langsam auf das Haus zu. Als sie unter dem Vordach angelangt waren, wollte Mary etwas fragen, doch Philip hatte den Kopf gesenkt, um seine Traurigkeit zu verbergen.
    »Das ist Lisa, die Tochter von Susan.«
    Vor der Eingangstür ihres Hauses blickte ein kleines neun-jähriges Mädchen zu Mary auf.
    »Mum ist tot.«
    Kapitel 7
    Mary wich zur Seite, um sie ins Haus zu lassen. Als sie eintraten, nahm Thomas sofort wieder eine stramme Haltung ein. Mary musterte Philip.
    »Offensichtlich ist mir ein Teil der Geschichte entgangen, aber den wirst du mir jetzt sicher erzählen!»
    Seine Kehle war wie zugeschnürt, und er machte gar nicht erst den Versuch zu sprechen. Er reichte ihr nur stumm den Umschlag, den er in der Hand hielt, und ging, ohne sich weiter aufzuhalten, nach oben, um das Kind umzuziehen. Mary sah sie im Gang verschwinden und entfaltete den Brief in der Hoffnung, darin eine Erklärung zu finden.
    Mein Philip,
    wenn du diese Worte liest, dann weißt du, ich hatte Recht. Mein elender Charakter hat

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