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Wo bist du

Wo bist du

Titel: Wo bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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mich daran gehindert, es dir im richtigen Augenblick zu sagen, aber ich habe schließlich doch auf dich gehört und das Kind akzeptiert, von dem ich nicht weiß, wer sein Vater ist. Richte nicht über mich, denn das Leben hier ist so anders als alles, was du dir vorstellen kannst, und so hart, dass man manchmal Trost in einem flüchtigen Abenteuer sucht. Um vor der Verzweiflung, der Selbstaufgabe und vor jener Todesangst zu flüchten, die mich heimsucht, vor diesem albernen Grauen angesichts der Verlassenheit, musste ich manchmal die Wärme ihres Lebens in mir spüren, um mich daran zu erinnern, dass auch ich lebendig war. Wer täglich mit dem Tod zu tun hat, erlebt eine tiefe, alles beherrschende Einsamkeit - wie eine ansteckende Krankheit. Hundert Mal habe ich mir gesagt, dass ich in einer solchen Welt kein neues Leben schenken darf doch je mehr sich mein Leib rundete, umso mehr wollte ich dir glauben. Mit Lisa schwanger zu sein, das war, wie Sauerstoff am Grunde des Wassers einzuatmen, es war ein vitales Bedürfnis. Und wie du siehst, hat die Natur über meinen Verstand triumphiert. Erinnerst du dich an das Versprechen, das du mir in Newark gegeben hast? Wenn mir etwas zustoßen würde, wärest du immer da ... Mein Philip, wenn du diese Zeilen liest, ist mir etwas Endgültiges zugestoßen! Ich habe dir geglaubt und Lisa in der Gewissheit angenommen, dass du an meine Stelle trittst, wenn ich nicht mehr weiterkann. Verzeih mir diesen miesen Trick. Ich kenne Mary nicht, aber aus deinen Erzählungen weiß ich, dass sie großherzig genug ist, sie zu lieben. Lisa ist ein wildes Kind, und ihre ersten Lebensjahre waren nicht gerade fröhlich. Zähme sie, schenk ihr die Liebe, die ich ihr jetzt nicht mehr geben kann. Ich vertraue sie dir an. Sag ihr eines Tages, dass du ihre Mutter nie vergessen hast und ihr- hoffentlich - tief verbunden geblieben bist. Ich denke an euch, und ich umarme dich, mein Philip. Ich nehme die besten Erinnerungen meines Lebens, das heißt Lisas Blick und unsere Jugendtage, mit mir,
    Susan
    Mary zerknüllte den Brief und versuchte, das Gefühl der Ablehnung, das in ihr aufkam, in dem Papierball einzuschließen. Ihr Blick fiel auf ihren Sohn, der noch immer stramm stand. Sie zwang sich zu einem Lächeln: »Abtreten!« Thomas machte auf dem Absatz kehrt und ging in sein Zimmer.
    Sie saß am Küchentisch. Ihr Blick wanderte vom Fenster zu dem Brief, den ihre Finger umklammert hielten. Philip kam allein zurück. »Sie hat gebadet und wollte gleich ins Bett, denn sie sind die ganze Nacht über gereist. Essen wollte sie nicht, ich glaube, es ist besser, sie nicht zu drängen. Ich habe sie im Gästezimmer untergebracht.«
    Mary schwieg. Er öffnete den Kühlschrank und schenkte sich ein Glas Orangensaft ein - einfache Gesten, mit denen er versuchte, seine Fassung wiederzugewinnen. Mary musterte schweigend ihren Mann. »Wir haben keine Wahl, ich kann sie nicht der Fürsorge überlassen, ich denke, sie hat schon genug unter Ungerechtigkeit und Verlassenheit gelitten.«
    »Wurde sie denn verlassen?«, fragte Mary sarkastisch.
    »Ihre Mutter ist tot, und sie hat keinen Vater, siehst du da einen Unterschied?«
    »Nun, ich denke, du wirst dich anbieten, diesen Unterschied zu machen.«
    »Zusammen mit dir, Mary!«
    »Warum nicht? Ich verbringe Stunden, Tage, ganze Wochenenden und Abende damit, auf dich zu warten. Wie ein Idiot habe ich meine journalistische Karriere aufgegeben, um mich um dein Haus und deinen Sohn kümmern. Ich bin die perfekte Hausfrau geworden. Warum also sollte ich jetzt mit meinen Dummheiten aufhören?«
    »Hast du denn den Eindruck, dass dein Leben nur aus Opfern besteht?«
    »Darum geht es nicht, bislang habe ich dieses Leben immerhin noch selbst gewählt, doch mit dem, was du jetzt vorhast, nimmst du mir dieses letzte Privileg.«
    »Ich möchte, dass wir dieses Abenteuer gemeinsam erleben.«
    »Ist das deine Definition von Abenteuer? Seit zwei Jahren bitte ich dich inständig, ein anderes Abenteuer mit mir einzugehen: ein zweites Kind. Und seit zwei Jahren antwortest du mir jedes Mal, es sei nicht der richtige Zeitpunkt, wir hätten nicht die Mittel. Zwei lange Jahre haben dich meine Gefühle nicht gekümmert. Diese Beziehung -eigentlich sollte es unsere sein - ist im Laufe der Jahre deine Beziehung geworden. Was mir bleibt, ist, deine Zeiteinteilung zu akzeptieren, deine Vorlieben, deine Sorgen, deine Zwänge, deine Launen und jetzt auch noch das Kind einer anderen, und welcher

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