Wo bist du
seine Schuhe dringen. An der Leiter der Rutschbahn nahm er Lisa auf den Arm und stellte sie auf die dritte Stufe.
»Ich denke, es wäre lächerlich, dir zu sagen, dass du aufpassen sollst; zu Hause bist du sicher nie hingefallen.«
»Doch!«
Unbeeindruckt von den Windböen, kletterte sie die Sprossen hinauf. Er spürte, dass sie glücklich war, ohne an den nächsten Augenblick zu denken, so wie ein Tier, das man in seiner natürlichen Umgebung freilässt.
Vor einer großen roten Rutschbahn, deren leuchtende Farbe durch den finsteren Himmel gedämpft war, stand ein nasser Mann mit weit geöffneten Armen und wartete auf ein kleines Mädchen, das mit geschlossenen Augen herunterrutschte, damit sein Traum in Erfüllung ginge. Und jedes Mal fing er sie auf, drückte sie an sich und stellte sie wieder auf die dritte Sprosse.
Sie unternahm drei Versuche, dann zuckte sie die Schultern und nahm seine Hand.
»Es funktioniert nicht, wir können gehen!«
»Willst du jetzt etwas essen?«
Sie schüttelte den Kopf und zog ihn zum Wagen. Als sie auf den Rücksitz kletterte, flüsterte sie ihm ins Ohr.
»Es war trotzdem gut!«
Der Regen ließ allmählich nach. Als sie nach Hause kamen, saß Mary im Wohnzimmer. Sie sprang auf und verstellte ihnen den Weg zur Treppe.
»So geht ihr nirgendwo hin, der Teppichboden ist erst letzte Woche geschäumt worden, ihr braucht also wirklich nicht gleich wieder anzufangen. Zieht eure Schuhe und eure Kleider aus. Ich hole Handtücher von oben.«
Philip schlüpfte aus seinem Hemd und half Lisa dabei, ihres auszuziehen. Sie fand es völlig unsinnig, überall Teppiche hinzulegen, wenn man nicht darauf laufen konnte. Bei ihr zu Hause war alles viel praktischer, der Boden war aus Holz und man konnte machen, was man wollte; einmal mit dem Wischlappen darüber, und er war wieder sauber. Mary frottierte Philip die Haare, und er rieb die von Lisa trocken. Sie erkundigte sich, ob sie mit offenem Autodach durch eine Waschanlage gefahren seien, und befahl ihnen, nach oben zu gehen und sich umzuziehen. Da sie wegen des Wetters nicht nach draußen konnte, verbrachte Lisa den Tag damit, das Haus zu erkunden.
Sie ging in Philips Arbeitszimmer, baute sich vor ihm auf und musterte ihn. Dann trat sie hinter den großen Tisch und sah zu, wie er die Umrisse seiner Entwürfe nachzog, wandte sich schließlich ab, um das Zimmer in Augenschein zu nehmen. Ihr Blick fiel auf ein Foto von Susan, das sie lange betrachtete. Sie hatte ihre Mutter nie so jung gesehen, und auch die Ähnlichkeit zwischen ihnen, die sich allmählich herausbildete, war ihr vorher nie aufgefallen.
»Glaubst du, dass ich irgendwann älter sein werde als sie?«
Philip blickte von seinem Entwurf auf.
»Als dieses Foto aufgenommen wurde, war sie zwanzig, ich habe es am Abend vor ihrer Abreise gemacht. Ich war ihr bester Freund, weißt du. Als ich so alt war wie du, habe ich ihr das Medaillon geschenkt, das sie immer um den Hals trug. Wenn du genau hinschaust, kannst du es erkennen. Wir hatten keine Geheimnisse voreinander.«
Lisa musterte ihn überheblich.
Dann wusstest du also von meiner Geburt?«
Damit wandte sie sich ab und verließ das Zimmer. Philips Blick ruhte noch eine Weile auf der Tür, ehe er die Schatulle mit Susans Briefen anschaute. Er legte die Hand auf den Deckel, zögerte und verzichtete dann aber darauf, ihn zu öffnen. Traurig lächelte er das Foto im Regal an und griff wieder zu seinem Stift.
Lisa ging ins Badezimmer hinunter und öffnete den Schrank, in dem Mary ihre Kosmetika aufbewahrte. Sie nahm das Parfümfläschchen, drückte auf den Sprühknopf und schnupperte. Sie verzog das Gesicht, stellte den Flakon zurück und verließ das Bad. Der nächste Besuch galt Thomas' Zimmer, das jedoch nicht von Interesse war. In der Kiste lag nur Spielzeug für Jungen. Das Gewehr an der Wand ließ sie erschauern. Gab es hier auch Soldaten, die kamen, um das Haus in Brand zu stecken und die Bewohner zu ermorden? Welche Gefahr mochte es in einer Stadt geben, deren Zäune nicht niedergerissen waren und deren Mauern keine Einschusslöcher aufwiesen?
Mary hatte das Abendessen zubereitet, und sie saßen um den Küchentisch. Thomas, dem man als Erstem etwas auf den Teller gegeben hatte, bahnte mit seiner Gabel eine zweispurige Straße durch das Püree. Die Erbsen hatte er zu einem Konvoi aufgereiht, auf dem Weg zu einer Werkstatt, die unter der Schinkenscheibe zu vermuten war. Einer nach dem anderen umrundeten seine grünen Lastwagen
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