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Wo bist du

Wo bist du

Titel: Wo bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Platten noch Comics noch Make-up und ging auch nicht ins Kino. Sie sparte ihr Taschengeld und vertraute es einem blauen Plüschhasen an, der mit seinem im Rücken versteckten Reißverschluss als Spardose diente. Lisa schien sich, selbst wenn sie stunden-lang ins Leere starrte, nicht zu langweilen. Sie lebte in ihrer eigenen Welt und nur zeitweilig in ihrer Umgebung. Und je mehr Zeit verging, desto mehr entfernte sich ihr Planet. Der Beginn des Sommers verhieß das Ende des Schuljahres. Ein schöner Monat Juni ging zu Ende, und der nächste Tag war ein Festtag: das Schulpicknick. Seit drei Tagen waren Philip, Mary und Thomas mit den Vorbereitungen beschäftigt.

Kapitel 8
    Thomas erschien als Letzter am Frühstückstisch. Lisa wollte nichts essen, und Mary räumte in aller Eile die Küche auf. Die in Frischhaltefolie eingewickelten Kuchen waren schon im Kofferraum verstaut. Philip hupte mehrmals kurz, um alle zum Auto zu rufen. Als der letzte Sicherheitsgurt einrastete war der Motor schon angesprungen. Der Weg zur Schule dauerte nur knapp zehn Minuten, und Mary verstand diese Ungeduld nicht recht. Unterwegs sah er immer wieder in den Rückspiegel. Seine Verärgerung war so eindeutig, dass Mary ihn nach dem Grund fragen musste. Er beherrschte sich, so gut es ging, und wandte sich an Lisa:
    »Seit zwei Tagen sind wir alle damit beschäftigt, deine Abschlussfeier vorzubereiten, nur dir scheint das alles vollkommen gleichgültig zu sein.«
    In die Betrachtung der Wolken vertieft, würdigte ihn Lisa keiner Antwort.
    »Du tust in der Tat besser daran zu schweigen«, fuhr Philip fort, »denn mit deinen Noten kannst du wirklich nicht glänzen. Ich hoffe, dass du dich in den nächsten Jahren etwas mehr anstrengst, sonst werden dir viele Berufe verschlossen bleiben.«
    »Für das, was ich machen will, reichen meine Noten vollkommen aus!«
    »Na, wenigstens eine gute Neuigkeit, endlich mal eine Zukunftsaussicht, also kein Grund zur Sorge. Habt ihr gehört? Endlich hat sie einen Plan!«
    »Was habt ihr beiden denn?«, fiel Mary ein, »nun hört doch endlich auf!«
    »Danke für deine Unterstützung. Nachdem Lisa ein großartiger Job erwartet, für den ein mittelmäßiger Schulabschluss ausreicht, darf ich doch wohl bitten, mehr darüber zu erfahren!«
    Sie murmelte, wenn sie volljährig wäre, würde sie sich beim Peace Corps verpflichten, nach Honduras zurückkehren und dort genauso arbeiten wie ihre Mutter. Mary, deren Magen sich zusammenkrampfte, wandte das Gesicht zum Fenster, um ihre Gefühle nicht zu zeigen. Der Wagen hielt mit quietschenden Reifen auf dem Seitenstreifen. Thomas war tiefer in das Polster gerutscht, seine Hand hielt den Sicherheitsgurt umklammert. Außer sich vor Wut, wandte sich Philip um: »Und darauf bist du ganz allein gekommen? Was du da sagst, zeugt von größter Aufopferung uns gegenüber, und das hältst du wohl für wahre Großzügigkeit, was? Glaubst du, die Flucht vor dem eigenen Leben sei Mut? Weißt du, wohin das führt? Ein solches Leben strebst du an? Wo sind denn die Zeugen des Glücks, die deine Mutter zurückgelassen hat? Du kehrst niemals dorthin zurück, hast du verstanden? Soll ich dir erklären, was passiert, wenn man auf sein eigenes Leben verzichtet ...«
    Mary umklammerte das Handgelenk ihres Mannes.
    »So sei doch still! Du hast kein Recht, ihr so etwas zu sagen! Du sprichst nicht mit Susan, merkst du das nicht?«
    Philip stieg aus und schlug die Autotür hinter sich zu. Mary wandte sich zu Lisa um, streichelte ihr von Tränen gerötetes Gesicht und tröstete sie sanft und aufrichtig: »Ich bin stolz auf dich. Was du aus deinem Leben machen willst, verlangt viel Mut. Du gleichst deiner Mutter schon jetzt, und du hast ganz Recht, das anzustreben, sie war eine bemerkenswerte Frau.«
    Nach kurzem Schweigen fügte sie hinzu: »Du hast Glück, in deinem Alter hätte ich meine Eltern gern so sehr bewundert, dass ich wie sie hätte werden wollen.« Mary hupte so lange, bis sich Philip wieder ans Steuer setzte. In einem Ton, der keine weiteren Diskussionen zuließ, forderte sie ihn auf loszufahren. Sie lehnte den Kopf an die Scheibe, und ihr Blick wurde melancholisch.
    In der Schule nahm Philip an keiner der Darbietungen teil, bei der Preisverleihung wollte er sich nicht hinsetzen, beim Essen und während des restlichen Nachmittags schwieg er beharrlich. Er würdigte Lisa keines Blickes und verweigerte die Hand, die sie ihm zum Zeichen des Friedens entgegenstreckte. Erfolglos versuchte

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