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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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ich dort noch zwei Wochen lang mit mir anfangen?
    »Aber du hast Glück«, fügte Hans hinzu. »Du kannst heute fahren.«
    Nun verstand ich gar nichts mehr. »Was?«
    »Der Bus hätte eigentlich gestern hier sein sollen, aber er saß bei Kautokeino im Schnee fest. Deshalb ist er heute morgen erst angekommen. Hast du ihn nicht da draußen gesehen? Er fährt heute noch zurück.«
    »Heute? Wirklich? Wann?«
    Mit der Seelenruhe eines Menschen, der seit Jahren am Ende der Welt lebt und auch weiterhin dort leben wird, sah er auf seine Uhr.
    »Oh, in ungefähr zehn Minuten, glaube ich.«
    Zehn Minuten! Ich habe mich selten so beeilt. Ich rannte zum Bus, bat den Fahrer inständig, nicht ohne mich abzufahren, bezweifelte, daß er mein Flehen verstanden hatte, und rannte zum Hotel, warf meine Sachen in den Koffer, bezahlte die Rechnung, bedankte mich und rannte wieder los. Einzelne Kleidungsstücke hinter mir her schleifend, erreichte ich den Bus gerade noch im letzten Augenblick.
    Das Sonderbare war, daß ich, während wir Hammerfest verließen, für einen Moment den Wunsch verspürte zu bleiben. Es war eine angenehme Stadt. Ich mochte die Menschen. Sie hatten mich freundlich aufgenommen. Unter anderen Umständen wäre ich vielleicht geblieben und hätte mich dort niedergelassen. Doch dann wurde mir klar, wie verrückt dieser Gedanke war. Es war höchste Zeit, nach Oslo und in die wirkliche Welt zurückzukehren. Außerdem gab es da eine Mütze, die ich mir kaufen mußte.

    Oslo

    Während meiner ersten Europareise bin ich in Kopenhagen einmal allein ins Kino gegangen. In dänischen Kinos bekommt man auf der Eintrittskarte einen bestimmten Platz zugewiesen. Ich betrat also den Zuschauerraum und stellte fest, daß sich mein Platz direkt neben den beiden einzigen anwesenden Zuschauern befand. Es war ein junges Paar, das sich so leidenschaftlich umschlungen hielt, wie man es sonst nur am Ende sehr langer Kriege in den Häfen dieser Welt sieht. Da ich es weder fertigbrachte, mich neben sie zu setzen, noch sie zu fragen, ob ich mich an ihrer Knutscherei beteiligen dürfe, nahm ich diskret ein paar Meter von ihnen entfernt Platz. Mehr und mehr Leute kamen ins Kino, warfen einen Blick auf ihre Eintrittskarten und füllten die Plätze um uns herum. Als der Film begann, hatten sich etwa dreißig Zuschauer eingefunden, die allesamt dicht beieinander in der Mitte eines riesigen und ansonsten leeren Zuschauerraumes saßen. Der Film lief gerade zwei Minuten, da bahnte sich eine mit Einkaufstaschen beladene Frau mühevoll den Weg durch meine Reihe, blieb vor mir stehen und machte mich entrüstet und mit strenger Miene darauf aufmerksam, daß ich auf ihrem Platz saß. Daraufhin begannen die Platzanweiserinnen mit ihren Taschenlampen herumzufuchteln, und jedermann in meiner Nachbarschaft warf erneut einen besorgten Blick auf seine Eintrittskarte, bis sich herumgesprochen hatte, daß ich ein amerikanischer Tourist war und deshalb natürlich unfähig, die simpelsten Platzanweisungen zu befolgen, und man geleitete mich an den mir zugewiesenen Platz zurück.
    So saßen wir denn alle beisammen und sahen uns den Film an. Dreißig Menschen, so dicht aneinandergedrängt wie Flüchtlinge in einem überladenen Rettungsboot, rieben sich die Schultern und teilten ihre persönlichsten Geräusche. Und es kam mir in den Sinn, daß es da gewisse Dinge gibt, die manche Nationen besser beherrschen als alle anderen, und daß es wiederum andere Dinge gibt, die sie mit Abstand schlechter in den Griff bekommen, und ich begann mich zu fragen, warum das so ist. Manchmal sind die kleinen Erfindungen einer Nation so einzigartig und brillant, daß wir sie automatisch mit dem Land in Verbindung bringen – wie die Doppeldeckerbusse in Großbritannien, die Windmühlen in Holland (was für eine geniale Ergänzung zu einer flachen Landschaft; stellen Sie sich vor, wie sie den Staat Nebraska verändern würden) und die Straßencafés in Paris. Und so gibt es ein paar Dinge, mit denen die meisten Länder spielend zurechtkommen, die andere Länder vor schier unlösbare Probleme stellen.
    Nehmen wir die Franzosen. Sie schaffen es einfach nicht, vernünftig Schlange zu stehen. Sie geben sich die größte Mühe, aber es klappt nicht. Zwar sieht man an allen Bushaltestellen in Paris geordnete Warteschlangen, aber nur solange, bis ein Bus hält. Dann löst sich die Schlange in Wohlgefallen auf, und es geht zu wie bei einem Probealarm in der Irrenanstalt, denn jeder versucht, sich

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