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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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sieh dir ein Bild an.«
    »Warum?«
    »Es ist ein ganz besonderes Bild.«
    »Wieso?«
    »Glaub’s mir einfach. In einer Minute wirst du mir dankbar sein.«
    »Was ist so besonders daran?«
    Ich erzählte es ihm. Er weigerte sich, mir zu glauben. Ein solches Bild sei nie gemalt worden, und wäre es gemalt worden, dann würde es nicht in einem öffentlichen Museum hängen. Aber er folgte mir. Nur, ich konnte das Bild beim besten Willen nicht wiederfinden. Katz war überzeugt, daß ich ein grausames Spiel mit ihm trieb, nur um ihm seine Zeit zu stehlen und ihn um den letzten Schluck seiner Cola zu bringen, und für den Rest des Tages war seine Stimmung vollends verdorben. Katz war in Paris fast ununterbrochen gereizt. Er war fest davon überzeugt, daß sich alles gegen ihn verschworen hatte. Als wir am Morgen unseres zweiten Tages über die Champs-Elysees schlenderten, landete eine Ladung Vogelscheiße auf seinem Kopf. Ein paar Minuten später fragte ich ihn, »Weißt du eigentlich, daß dir ein Vogel auf den Kopf geschissen hat?«
    Instinktiv faßte sich Katz auf den Kopf, starrte entsetzt auf seine Hand – was Exkremente angeht, war er schon immer ziemlich zimperlich; einmal sah ich ihn wie die Gestalt auf Edvard Munchs »Der Schrei« durch den Greenwood Park in Des Moines rennen, nur weil er versehentlich mit der Fingerspitze einen Haufen Hundekot berührt hatte –, brummte etwas, das wohl »Warte hier« heißen sollte, und marschierte so kerzengerade, als hätte er einen Besenstiel verschluckt, in Richtung Hotel. Als er zwanzig Minuten später wiederkam, roch er penetrant nach Brut Aftershave, und sein Haar klebte an seinem Kopf wie bei einem drittklassigen spanischen Gigolo. Aber er schien sich wieder gefaßt zu haben. »Jetzt kann’s losgehen«, verkündete er.
    Und fast im selben Augenblick landete die zweite Ladung Vogelscheiße auf seinem Kopf. Nur diesmal war es eine richtige Ladung. Ich will es nicht zu anschaulich beschreiben – es könnte ja sein, daß Sie gerade eine Kleinigkeit essen –, aber wenn Sie sich einen auf seinen Skalp geleerten Becher Joghurt vorstellen, ich denke, dann haben Sie das Bild so ungefähr. »Mein Gott, Steve, das war ein kranker Vogel«, bemerkte ich hilfreich. Katz war buchstäblich sprachlos. Ohne ein Wort zu sagen, machte er auf dem Absatz kehrt, marschierte stocksteif zurück zum Hotel und würdigte die Passanten, die sich nach ihm umdrehten, keines Blickes. Fast eine Stunde lang blieb er verschwunden. Als er endlich wieder auftauchte, trug er einen Anorak mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze. »Sag kein Wort«, warnte er und ging mit großen Schritten voran. Seitdem hatte Katz ein gestörtes Verhältnis zu Paris.

    Weil es im Louvre so voll war, ging ich zum Musée d’Orsay, das ich noch nicht kannte. Es liegt den Tuilerien gegenüber am linken Seineufer. Als ich vor sechzehn Jahren zuletzt dort vorbeiging, stand an seiner Stelle noch ein verfallenes Gemäuer, die Ruine des alten Gare d’Orsay. Inzwischen war ein kluger Kopf auf die Idee gekommen, den ehemaligen Bahnhof als Museum wiederaufzubauen, und entstanden ist ein herrliches Bauwerk und eine ebenso eindrucksvolle Gemäldesammlung. Ich verbrachte dort zwei glückliche Stunden, schaute anschließend wieder am Louvre vorbei – er war noch immer hoffnungslos überfüllt – und ging statt dessen zum Centre Pompidou, fest entschlossen, zumindest zu versuchen, es zu mögen, aber es gelang mir nicht. Alles an diesem Gebäude ging mir gegen den Strich. Zum einen war es leicht verwittert und ausgeblichen, wie Kinderspielzeug, das über Winter draußen lag. Das überraschte mich, denn schließlich ist der Bau gerade ein Dutzend Jahre alt, und die Regierung hatte erst kürzlich 100 Millionen Mark für seine Renovierung ausgegeben. Aber das kommt wohl dabei heraus, wenn man mit Plastik baut. Zum anderen wirkte das Gebäude in diesem beengten Viertel viel zu überladen. In einem Park würde es ganz anders zur Geltung kommen. Was mir aber vor allem an Gebäuden wie dem Centre Pompidou mißfällt – und Paris ist voll davon –, ist ihre Protzerei. Hier verkündet nun Richard Rogers der Welt:
    »Schaut her, ich habe alle Rohre an die Außenseiten verlegt. Habe ich jetzt einen Orden verdient, oder was?«
    Wenn die Zweckmäßigkeit dabei eine Rolle gespielt hätte, könnte ich das ja verzeihen, aber niemand scheint sich über die Funktion des Centre Pompidou als Versammlungsort und Kulturzentrum Gedanken gemacht zu haben,

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