Wo brennt s denn - Vom Grossbrand in der U-Bahn bis zur Schlange im Klo Die unglaublichsten Einsaetze einer Feuerwehrfrau
verbessern, gerade auch bezüglich der Flucht- und Rettungswege. Der Weg durch den Rauch kann schnell zum letzten Gang werden. Immer wieder geschieht es, dass Menschen ein Feuer länger nicht bemerken. Dann reißen sie die Wohnungstür auf. Was ist denn da los? Und schon stehen sie mitten im Rauch. Das ist lebensgefährlich! Die Flucht durch ein verrauchtes Treppenhaus vom vierten Stock ins Erdgeschoss kann tödlich enden. Die meisten Menschen haben Angst vor Flammen, nicht vor Rauch. Dieser Irrtum kann das Leben kosten.
Wir kontrollieren das Stockwerk über der Brandwohnung, weil über gekippte Fenster oder Verbindungen, die auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind – Versorgungsschächte, schlecht schließende Türen oder Lüftungsrohre –, Rauch in andere Wohnungen gezogen sein könnte. Routinemäßig wird im Stock darüber und unterm Dach kontrolliert. Rauch sammelt sich oben, wenn er nicht abziehen kann.
Die Wohnungen in diesem Gebäude sind alle klein, meistens Appartements mit Vorraum und Bad, und leicht zu durchsuchen. Sobald wir eine Wohnung kontrolliert haben, markieren wir sie mit einer Flatterleine am Türknauf. Die Leine gehört zu den stets griffbereiten Feuerwehraccessoires. Manchmal kennzeichnen wir eine kontrollierte Wohnung auch mit Wachskreide. Unser Einsatz läuft schnell und routiniert ab. Tür auf, dann Vorraum, Bad und Wohnzimmer überprüfen – ist alles rauchfrei? Wir vergessen nicht, einen Blick unter Tisch und Bett zu werfen. Mancher Brand entsteht durch ein zündelndes Kind. Und das versteckt sich dann vielleicht, aus Angst vor Strafe. Auch Erwachsene können sich aus verschiedensten Gründen verstecken, wenn es einen Polizei- und Feuerwehreinsatz gibt. Wir wollen niemanden übersehen.
Plötzlich lautes Rufen. » Da liegt einer! Im Bad!«
Gerhard und ich lassen alles stehen und liegen und rennen in die gegenüberliegende Wohnung. Andreas und Roman haben den bewusstlosen Mann schon in den Flur gebracht. Er sieht nicht gesund aus. Blass und bläulich sein Gesicht. Vielleicht hat er ja geschlafen, vielleicht ein Schichtarbeiter. Der Einsatz läuft bereits seit mindestens einer halben Stunde. Das ist zu lang, viel zu lang für einen Menschen im Rauch. Wir bringen ihn schleunigst aus dem Gefahrenbereich. Der Notarzt kommt in einem solchen Fall nicht zum Patienten, sondern der Patient zum Notarzt. Crashrettung nennt man so etwas. Hauptsache raus. Wie auch bei einem Unfall, wenn jemand im brennenden Auto sitzt. Raus in den sicheren Bereich. Andreas und Roman tragen den Bewusstlosen ins Erdgeschoss. Gerhard und ich räumen ihnen den Weg voller Stolperfallen in Form von Schläuchen frei. Dann suchen wir die restlichen Wohnungen ab. Zum Glück finden wir keinen zweiten Bewusstlosen. Als wir das Haus komplett abgesucht haben, ist der Einsatz für uns beendet. Die Kollegen werden die Nachlöscharbeiten durchführen und die kaputten Türen notdürftig reparieren.
Ich will gerade in das HLF steigen, da rennt eine Frau mit einem Einkaufskorb schreiend auf das Haus zu. Unterwegs lässt sie den Korb fallen. Äpfel, Tomaten und Kiwis rollen auf die Straße. Die Frau läuft weiter. Einige Passanten heben das Obst auf und stehen dann ratlos herum. Aus dem Haus hört man es weiterschreien.
» Pack ma’s«, sagt unser Gruppenführer.
» Schmidi, bring uns heim.«
» Aber auf’m direkten Weg!«
Heim, denke ich. Während eines Wachtages ist die Hauptfeuerwache unser Daheim. Danach haben wir alle ein zweites. Das private. Und wenn das Feuer es gefressen hat, ist alles mit einem Mal weg. Möbel, Klamotten, Bücher, Fotos, CD s. Liebesbriefe, Zeugnisse, Versicherungsunterlagen, Kontoauszüge. Die ganze Existenz gelöscht. Was das Feuer nicht zerstört, zerstört der Rauch. Der stinkt entsetzlich. Nicht bloß in der Brandwohnung, sondern auch in den Nachbarwohnungen muss manchmal sehr viel weggeworfen werden. Die giftigen Rauchgase werden gespeichert und gasen nach und nach aus. Deshalb ist es nicht ungefährlich, solche Wohnungen zu betreten. Leider richtet auch die Feuerwehr beträchtlichen Schaden an: Wasser kommt überall hin. Ein Feuer zu löschen bedeutet gleichzeitig, einen Wasserschaden zu hinterlassen.
An die Frau mit dem Korb denke ich in den nächsten Stunden noch oft. Ich weiß nicht, ob sie den – wie wir mittlerweile erfahren haben – Toten gekannt, vielleicht sogar in einer Wohnung mit ihm gewohnt hat. Und ich will es auch nicht wissen. Ich will meinen Job machen, so gut ich kann,
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