Wo Dein Herz Zu Hause Ist
müssen, und er war nicht gerade glücklich darüber, dass er schließlich zugestimmt hatte. Und sie selbst ebenso wenig. Vermutlich würde sie nur mit Hilfe eines Psychologen herausfinden, warum sie es überhaupt gewollt hatte. Keith ging schließlich nach einem Drink. Aidan amüsierte sich mit seinen Freunden aus der Szene. Sue kannte ein paar davon, aber sie unterhielten sich alle prächtig und waren nicht darauf aus, mit einer Frau mittleren Alters zu reden, die ein trauriges Gesicht zog. Als Aidan versuchte, sie mit einem Sambuca aufzuheitern, beschloss Sue, ein Taxi zu rufen und zu Harris Wohnung zurückzufahren.
Dort saß sie dann alleine auf dem Schlafsofa und bemühte sich, ihre neue Situation objektiv zu betrachten.
Beth nahm ihre Anrufe nicht an. Ihr Ehemann war so weit weg, dass er ebenso gut auf dem Mond hätte wohnen können, und der verheiratete Mann, mit dem sie gelegentlich schlief, wollte weder seine Frau verlassen noch ihr ständiger Begleiter werden. Sie war frei, aber Keith lebteseine Ehe weiter. Andererseits: selbst, wenn es nicht so wäre, würde sie ihn überhaupt wirklich in ihrem Leben haben wollen?
Mit ihm trete ich bloß auf der Stelle
. Als sie das erkannt hatte, schwor sich Susan, ihren verheirateten Liebhaber nie mehr zu treffen. Und zwar nicht, weil sie Schuldgefühle gegenüber der Frau hatte, mit dessen Ehemann sie ins Bett ging, oder weil es ihren Freunden missfiel, selbst wenn sie das nicht zeigten. Sie befürchtete auch gar nicht so sehr, ihre Tochter könnte etwas mitbekommen. Und nur weil sie eine Affäre mit einem verheirateten Mann hatte, war sie noch kein schlechter Mensch – ein bisschen egoistisch vielleicht. Susan fand, dass sie ein guter Mensch war. Vielmehr war es so, dass sie sich gerade aus einer gescheiterten Ehe gelöst hatte, weil sie mehr vom Leben verlangte. Das aber würde sie auch mit Keith niemals bekommen.
Sie lag an diesem Abend noch lange wach, dachte an all die Ehejahre zurück, die guten Tage und die schlechten, und die besonderen Ereignisse im Leben ihrer Tochter und ihrer Familie. Sie weinte dabei und lachte manchmal auch, und sie verabschiedete sich von ihrem alten Leben und ließ los.
Heute war ein neuer Tag, ein Neuanfang sowohl für Sue als auch für Harri, und um das zu feiern, würde Sue in Wicklow shoppen bis zum Umfallen.
Vielleicht finde ich ja einen schönen Mixer oder einen handbemalten Holzlöffel
.
Langsam ging Harri über den Friedhof. Sie hatte keine Ahnung, wo sie ihre Suche beginnen sollte, also fing sie gleich am Eingang an.
Es wäre ein Wunder, wenn das Grab gleich hier wäre.
Sie beugte sich gerade über einen Grabstein, um denNamen darauf zu entziffern, während sie sich darüber ärgerte, dass sie ihre Brille vergessen hatte, als ein Mann mit einem Pappbecher Kaffee an ihr vorbeiging. Harri überlegte kurz, ob sie ihn fragen sollte, doch dann ließ sie es bleiben. Es war schließlich ziemlich unwahrscheinlich, dass jeder in Wicklow sämtliche Gräber kannte. Sie ritzte sich an einer Brombeerranke das Bein auf, stolperte gleich darauf über eine Grabeinfassung und schlug sich das Knie an.
Das ist sinnlos, ich werde sie nie finden
. Am Eingang war ein Büro, aber es war geschlossen, so etwas wie einen Friedhofsplan gab es nicht, und Harri war müde und aufgewühlt und wollte sich nicht noch mehr blaue Flecken holen.
Wenn ich noch über ein einziges blödes Grab stolpere!
Aber sie ging trotzdem weiter und las die Inschriften auf jedem Grabstein, an dem sie vorbeikam.
Brendan machte es sich auf dem Rasen bequem. «Hallo, Trouble!», sagte er und betrachtete den Grabstein, auf dem Livs Name in schwarzen Lettern stand. «Dreißig Jahre. Mir kommt es vor, als wäre es erst gestern gewesen. Ich wünschte, du hättest dieses Buch geschrieben. Ich hätte es so gerne gelesen. Es wäre garantiert ein Bestseller geworden. Du hattest einfach nicht genug Zeit, Trouble, und keiner von uns hat es geahnt. Ich schwöre, dass ich dich gerettet hätte, wenn es nur möglich gewesen wäre. Aber das weißt du ja. Ich hatte eine Affäre in San Francisco, das gefällt dir bestimmt. Er war vierzig, ich hätte also beinahe sein Vater sein können. Er ist Designer. Wir haben viel über Design geredet», er lachte in sich hinein. «Er würde dir gefallen. Er ist der Typ schwuler Mann, den du am liebsten aus mir gemacht hättest. Selbstsicher, stolz und zufrieden mit seinem Dasein. Und ich bin es auchgeworden. Ich bin heute ein anderer Mensch als
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