Wo Dein Herz Zu Hause Ist
solltest ins Krankenhaus fahren und vermutlich auch Beth anrufen.»
«Sie redet nicht mit mir. Ich bitte Harri darum, dass sie Beth von der Arbeit abholt.»
«Okay. Lass von dir hören, wenn ich etwas für dich tun kann.»
«Ja, gut.» Wie betäubt beendete Sue das Gespräch. Ich muss ins St. James.
Wie komme ich nochmal von hier aus ins St. James? Am besten gehe ich einfach los. Im Auto wird mir der Weg schon wieder einfallen.
Andrews Tag war der reinste Albtraum, aber dieser Albtraum war noch schlimmer als alle, die er je gehabt hatte. Er träumte, dass gerade sein Penis untersucht wurde, als ihn plötzlich ein unerträglicher Schmerz überwältigte. Er griff sich mit dem rechten Arm an die Brust, fiel gegen den Arzt, der ihn untersuchte, und der Arzt sagte irgendetwas und rief nach jemandem, und mit einem Mal lag er auf einer Rollbahre und Aidan rannte hinterher.
Die Erkenntnis, dass das kein Traum war, traf ihn wie ein weiterer Schlag.
Ich bin allein. Wo ist Aidan? Oh Gott, jemand soll Aidan holen. Er darf niemandem sagen, dass ich in dieser Klinik bin.
Aidan schnappte draußen frische Luft. Er hatte sich in einem erstaunlich guten Coffee-Shop im Foyer, das mehr nach Einkaufszentrum aussah als nach Klinik, einen Kaffee besorgt. Läden, Restaurants, es gab sogar eine Saftbar.
Seit wann bekommt man in einem Krankenhaus etwas Ordentliches zu essen und zu trinken?
Er hielt sich dasHandy ans Ohr und sprach mit lauter Stimme gegen den Lärm an.
Harri saß im Auto, um Beth in der Boutique abzuholen, in der sie arbeitete. Sie telefonierte mit Aidan über die Freisprechanlage. «Ich fahre gerade durch den Park, wenn die Verbindung abbricht, rufe ich dich zurück.»
«Okay», sagte Aidan. «Was wirst du Beth sagen?»
«Die Wahrheit.»
«Das kannst du nicht machen.»
«Warum denn nicht?»
«Du kannst ihr nicht sagen, dass ihr Vater einen Herzinfarkt bekommen hat, während er sich den Schwanz hat untersuchen lassen.»
«Sie ist kein Kind mehr, und außerdem wollte ich das gar nicht sagen. Ich sage einfach, dass er beim Arzt war und dort einen Herzinfarkt bekommen hat. Das stimmt schließlich, und man kann die Einzelheiten getrost weglassen.»
«Na gut. Meinst du, ich kann jetzt hier weg?»
«Ist Sue schon da?»
«Nein.»
«Du kannst gehen, wenn Sue angekommen ist.»
Aidan seufzte. «Wenn du es sagst. Dann gehe ich jetzt besser wieder rein.»
«Okay. Wir sehen uns dann, falls du noch da bist.»
Aidan beendete das Gespräch und ging zurück zu Andrew, der wach, verängstigt und äußerst verlegen in einem Bett lag, das durch Vorhänge im Raum abgetrennt war. Aidan atmete tief durch, bevor er ein Lächeln aufsetzte und den Vorhang zurückzog.
«Tja, Andrew Shannon, du hast es wirklich drauf, anderen Leuten einen Schreck einzujagen.»
«Du hast Sue angerufen, oder?» Andrew war verschwitzt und fühlte sich schwach, schwindelig und müde von all den Infusionsflüssigkeiten, die durch seine Adern strömten, und von der allzu frischen Erinnerung an die grausamen Schmerzen, die er gerade überstanden hatte.
«Nein», sagte Aidan.
«Danke», sagte Andrew und versuchte, die Hände zu heben.
In jedem seiner Handrücken steckte eine Kanüle mit Infusionsschläuchen, durch die ihm intravenös Medikamente verabreicht wurden. Bei dem Anblick wurde Aidan etwas schwach zumute. Er wandte sich ab und konzentrierte sich auf einen weißen Schrank, an dem ein Griff fehlte.
«Ich habe George angerufen», gestand er dem Schrank. «Und George hat Sue angerufen.»
Andrew seufzte.
Weil Aidan schon einmal dabei war, fuhr er fort: «Und ich habe Harri angerufen. Sie holt Beth von der Arbeit ab und bringt sie her.»
Andrew schwieg ungefähr fünfundsiebzig Sekunden lang, um die Neuigkeit zu verdauen, die Aidan gerade verkündet hatte. Wenn er nicht gerade dem Tod von der Schippe gesprungen wäre, dann wäre er jetzt auf Aidan losgegangen, hätte ihn zum nächsten Fenster gezerrt und ihn hinausgestoßen.
Pass auf, was ich mit dir mache, wenn ich hier rauskomme.
Nach fünfundsiebzig Sekunden erklärte Aidan, es sei ziemlich wahrscheinlich, dass sich Andrews eigentliche Gründe für die Untersuchung nicht länger verheimlichen ließen, seine Probleme im Bett jedoch angesichts seiner augenblicklichen Verfassung vermutlich nicht die vordringlichstendarstellten. Aidan sagte das nicht nur so dahin. Er hatte sich nämlich den größten Teil der vorangegangenen Nacht den Kopf darüber zerbrochen, wie er reagieren
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