Wo Dein Herz Zu Hause Ist
waren.
«Meine Güte, das ist ja der reinste High-Tech-Laden hier.»
«Ja. Hör mal, ich habe ein Problem.» Beth rutschte unruhig herum.
«Solltest du darüber nicht lieber mit deiner Mutter sprechen?» Langsam wurde Harri nervös.
«Nein. Das möchte ich nicht.»
«Und warum willst du dann ausgerechnet mit mir reden?»
«Na ja, du bist Mums Geschäftspartnerin und außerdem eine Freundin, ich kenne dich schon mein ganzes Leben lang. Und jetzt bin ich in eine blöde Situation geraten, und … tja, weil du auch öfter mal in blöde Situationen gerätst, habe ich gedacht, du würdest es verstehen.»
Da könnte sie allerdings recht haben.
«Ich wollte dich nicht beleidigen.»
«Das habe ich auch nicht so verstanden.»
Einen Moment lang herrschte Schweigen. «Also, wo liegt das Problem?»
Bitte sei nicht schwanger
.
Beth lachte. «Ich bin nicht schwanger.»
Danke, lieber Gott
. «Hab ich auch nicht gedacht.»
«Natürlich hast du das gedacht.»
«Stimmt.»
Beth lachte wieder. Sie mochte Harri. «Ich habe Filzläuse.»
«Oh.» Harri stand auf.
«Könntest du mit mir ins Krankenhaus fahren? Ich traue mich nicht, damit zu unserem Hausarzt zu gehen.»«Bist du dir überhaupt sicher, dass es Filzläuse sind?»
«Allerdings. Ich könnte mich den ganzen Tag nur kratzen, und außerdem sieht man sie auch.»
«Oje.»
«Ich weiß. Hast du schon mal welche gehabt?»
«Nein.»
«Da kannst du von Glück reden.»
Harri setzte sich auf den Schreibtischstuhl. Davor überlegte sie kurz, ob sie die Sitzfläche abklopfen sollte, doch dann erschien ihr das taktlos. «Sagst du mir, wo du sie dir eingefangen hast?»
«Ich bin keine Schlampe.»
«Das habe ich auch nicht behauptet.»
«Aber du hast es gedacht.»
«Ganz bestimmt nicht.»
«Okay.» Beth lächelte. Sie glaubte Harri.
«Also?»
«Ich war ein halbes Jahr mit einem Typen zusammen. Letzten Monat ist er mit seinen Eltern Ski fahren gegangen. Da hat er eine Schlampe kennengelernt, mit ihr rumgebumst, und, um es kurz zu machen, anschließend musste ich mir ein Kühlelement in die Unterwäsche schieben.»
«Du Arme.»
«Nicht, was ihn betrifft, der Typ ist ein Mistkerl. Er ist mir schon längst egal.»
«Er ist dir nicht egal.»
«Ja, stimmt. Aber ich habe deswegen schon genug geheult.»
«Das Gefühl kenne ich.» Harri stand auf. «Ich mache für morgen einen Termin aus.»
Beth gab Harri ihre Visitenkarte. «Ruf mich auf dem Handy an, ja?»
«Du hast eine Visitenkarte? Sechzehnjährige haben heutzutage schon Visitenkarten?»
Beth zuckte mit den Schultern. «Das ist doch ganz einfach. Jeder, der einen Computer und einen Farbdrucker hat, kann sich ganz leicht selber welche machen.»
«Als ich in deinem Alter war, hatten wir von solchen Sachen keine Ahnung.»
«Ja, aber stell dir erst mal meine Mutter vor – sie ist sechzehn Jahre älter als du, wie naiv muss sie erst gewesen sein!»
«Naiv vielleicht, aber höchstwahrscheinlich hatte sie auch keine Filzläuse.» Harri lächelte, und Beth grinste kläglich.
«Du erzählst ihr doch nichts davon, oder?», fragte Beth, und Harri versprach zum zweiten Mal an diesem Abend, nichts weiterzusagen.
Später lag Harri hellwach im Bett. Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf, tausend Fragen und keine einzige passende Antwort.
Was ist bloß los? Ich weiß es nicht. Was könnte es sein? Keine Ahnung. Hat es nur mit mir zu tun oder auch mit George? Ich hätte Aidan mehr unter Druck setzen sollen. Geht es um meine Gesundheit? Ich bin dreißig Jahre alt – ich weiß über meine Gesundheit bestimmt besser Bescheid als meine Eltern. Oder etwa nicht? Warum hat Mum gesagt, dass sie für mich sterben würde? Warum glaubt George, dass er mir aus dem Weg gehen muss? Was könnte so schlimm sein? Denkt er wirklich, ich würde mich so wahnsinnig aufregen? Schlimmer kann es diese Woche doch eigentlich gar nicht mehr werden. Ich sollte jetzt auf der Hochzeitsreise sein, verdammt. Ach James, du fehlst mir so. Bitte, komm
wieder nach Hause! Bitte verzeih mir. Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen soll.
Und dann noch die Sache mit Beth. Filzläuse! Auf so etwas wäre ich nie gekommen. Sollte ich es vielleicht doch Susan sagen? Nein, Beth vertraut mir, ich darf sie nicht enttäuschen. Es ist gut, dass sie damit zu mir gekommen ist. Ich bin eine Erwachsene. Sie hat eine vernünftige Entscheidung getroffen. Aber warum hat sie es nicht Susan gesagt? Sie verstehen sich doch so gut – aber womöglich liegt es genau
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