Wo Dein Herz Zu Hause Ist
Idee», sagte sie und tat so, als sei sie beleidigt.
Eine Stunde später ging Matt wieder aus dem Haus. Er trug seine Reitkleidung und hatte einen großen Blumenstrauß aus der Vase in der Halle mitgenommen. Er ritt an der Trainingsstrecke und den Stallungen vorbei, die lange Auffahrt hinunter, durch das Tor und Devil’s Glen und das schmale Sträßchen entlang, das zum Friedhof führte. Er band sein Pferd am Eingang an und ging den Rest des Weges zu Fuß. Inzwischen war es etwa halb zehn Uhr, und bis auf eine alte Dame, die sich über einen Grabstein beugte, war niemand auf dem Friedhof.
Er ging weiter bis zu ihrem Grab. Er blieb stehen, legte die eine Hand auf den Grabstein und hielt in der anderen den Blumenstrauß.
«Hallo, Kleine», sagte er, «es ist schon ein bisschen her, vielleicht sogar ein ganzes Jahr. An Weihnachten war ich nicht da, sonst wäre ich gekommen. Henry war aber hier, wie ich sehe, er hält alles in Ordnung und beschneidet die Rosen. Es geht ihm gut, er ist immer noch fit und gesund. Vermutlich überlebt er uns noch alle. Brendan geht’s auch gut. Wie hast du ihn nochmal genannt? – Dr. B.?» Er lächelte und setzte sich ins Gras. «Er wohnt immer noch im Pförtnerhaus. Kannst du dir das vorstellen? Er liebt dieses alte Haus, und das Haus liebt ihn auch, glaube ich. Er hat es wundervoll renoviert. Der alte Knabe hat wirklich Geschmack. Jetzt nenne ausgerechnet ich Brendan alt. Er ist fünfundfünfzig. Weißt du noch? Als Henry fünfundfünfzig Jahre alt geworden ist, haben wir gedacht, er wäre uralt. Und jetzt bin ich vor drei Monaten siebenundvierzig geworden. Kannst du dir das vorstellen? Mein Dad war siebenundvierzig, als er … Es war in Monaco, weißt du noch? Wir hatten uns vor seiner Abfahrt noch so gestritten. Du hast geradenoch verhindert, dass ich ihm eine reinhaue. Ich habe mich dermaßen über dich geärgert … tut mir leid. Hey, erinnerst du dich an unsere Abende an der Festung, an denen wir die Sterne am Himmel betrachtet haben? Wenn ich doch nur die Zeit zurückdrehen könnte.» Seufzend schüttelte er den Kopf. «Ich läge sofort wieder mit dir an der Festung unterm Sternenhimmel.» Er lehnte sich an ihren Grabstein. «Hey, Liv. Ich liebe dich immer noch.» Dann stand er auf. «Aber erzähl’s keinem, in Ordnung? Das bleibt unser Geheimnis.»
Nach zehn Minuten war er wieder verschwunden, und ihr Grab lag so still da wie zuvor.
Matthew verbrachte den Rest des Vormittages damit, Anrufe zu erledigen. Brendan saß in seinem Garten, als Matt auf seinem Lieblingspferd Shadow vorbeikam.
«Brendan.»
«Matt. Komm, trink einen Kaffee mit mir.»
Matt stieg ab, band Shadow fest und klopfte ihm auf den Hals, worauf der Hengst lebhaft den Kopf schüttelte. Matt setzte sich zu Brendan, der ihm einen Kaffee aus der Espressokanne einschenkte.
«Erwartest du Besuch?», fragte Matt und deutete auf die zweite Kaffeetasse, die schon auf dem Gartentisch gestanden hatte.
«Ich habe dich erwartet.» Brendan lächelte. «Wie geht’s deinem Mädchen?»
Matt nickte. «Immer noch tot, Brendan.»
«Dreißig Jahre sind eine lange Zeit.»
Matt nickte erneut. Ihm fehlten immer die Worte, wenn Brendan von Liv sprach. Das Baby erwähnte er niemals; keiner von ihnen erwähnte das Baby. Matthew lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
Heute wird sie dreißig
Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Harri Ryan. Ich wollte dich Olivia nennen, nach deiner Mutter. Olivia Delamere. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Olivia Delamere
. Matthew war mit seinen Gedanken weit fort, während Brendan von der Las-Vegas-Reise erzählte, die er kürzlich unternommen hatte.
«Unheimlich staubig ist es dort. Ich fahre bestimmt kein zweites Mal hin.» San Francisco dagegen hatte ihm gefallen. «Aber was San Francisco angeht, hattest du recht.» Tatsächlich hatte sich Brendan in San Francisco so wohlgefühlt, dass er sich gewünscht hatte, er hätte als junger Mann die Energie aufgebracht, dorthin zu ziehen, statt sich in Wicklow zu verkriechen.
Mein Leben hätte so anders laufen können.
Später sprachen sie noch über das vielversprechende Zuchtfohlen, das Matthew ersteigert hatte. Zur Feier des Tages kochte Brendan einen frischen Kaffee und brachte seine selbstgebackenen Muffins heraus.
«Du hättest Bäcker werden können.»
«Ich hätte vieles werden können.» Brendan lächelte in sich hinein, und auch Matt musste lächeln. Sie verfielen in behagliches Schweigen.
«Hast du heute
Weitere Kostenlose Bücher