Wo der Elch begraben liegt
landen würde. Daher habe ich über so etwas gar nicht nachgedacht. Was macht man denn am besten, um hier in der Gegend akzeptiert zu werden?«
» Seien Sie einfach bloß Sie selbst. Das ist wohl der einzige Rat, den ich Ihnen geben kann. Seien Sie nur Sie selbst«, sagte Inger, winkte den Barkeeper heran und stellte die beiden einander vor. Bier oder Wein?
Frida bestellte ein Glas Rotwein und bezahlte. Wie sollte man dann aber eigentlich sein, wenn man gar nicht wusste, wer man war?, dachte Frida. Es hörte sich so einfach an, nur man selbst zu sein. War sie selbst die Einzige, die es nicht wusste?
» Hört mal her, jetzt müsst ihr mal unsere neue Mitarbeiterin begrüßen!«, sagte Inger mit lauter Stimme zu den anderen. » Stellen Sie sich einfach vor.«
» Ich heiße Frida. Aus Göteborg. Ich mache hier während des Frühjahrs mein Praktikum. Ich freue mich, hier zu sein.«
Inger stieß eine junge blonde Frau an, die wie aus einem Ellos-Katalog für Mollige ausgeschnitten schien.
» Das ist Jeanette. Sie arbeitet mit mir in der Anzeigenabteilung. Hast du nicht voriges Jahr angefangen?«, fragte Inger.
Jeanette lachte, sodass der Diamant an ihrem rechten Schneidezahn glitzerte. »Es ist tatsächlich schon drei Jahre her, Inger. Die Zeit vergeht schnell, wenn’s einem gut geht.«
» Du meine Güte, ich dachte, du hättest erst vor Kurzem angefangen«, fuhr Inger fort und drehte sich halb herum.»Mats kennen Sie ja schon, und das ist seine Frau Annika.«
Eine aschblonde Frau in den Vierzigern wandte sich um. Sie war hübsch, aber blass und etwas farblos. Frida schoss durch den Kopf, dass ihr die rostbraune Tunika überhaupt nicht stand. Sie brauchte ganz andere Farben, um ihrem müden Teint etwas Lebendigkeit zu verleihen.
» Annika Ågren«, sagte sie und streckte die Hand aus. » Willkommen in unserem Sumpf. Hier sackt man so langsam ein, dass man am Ende gar nicht mehr hochkommt.«
Frida nahm ihre Hand und wusste nicht, was sie auf diesen seltsamen Eröffnungssatz erwidern sollte. »Schön, dass wir uns kennenlernen. Wir werden uns wohl zwischendurch mal den Schreibtisch teilen.«
» Ach ja? Davon hat niemand was gesagt. Wollen sie mir das jetzt auch noch wegnehmen…«
Inger legte ihre Hand besänftigend auf Annikas Arm. »Jetzt hör schon auf. Niemand wird dir was wegnehmen. Es geht doch bloß darum, dass Frida, wenn sie mal in die Redaktion kommen muss, dann besser an einem vernünftigen Computer sitzt.«
» Immer bin ich diejenige, die umziehen muss«, murrte Annika.
» Ich kann sicher auch irgendwo anders sitzen«, warf Frida ein. » Für mich spielt das keine Rolle.«
» Jetzt lassen wir das mal«, sagte Inger. » Das hier ist Kalle, unser enorm tüchtiger Fotograf. Vor zwei Jahren war er für das Bild des Jahres nominiert.«
Ein kleiner, pockennarbiger Mann in den Dreißigern reichte Frida die Hand. »Karl Walther. Ich war auf der Fotohochschule in Göteborg.«
» Okay«, erwiderte Frida. » Und wie bist du dann hier gelandet?«
» Ich konnte hier nach der Schule im Sommer als Urlaubsvertretung arbeiten und bekam dann im Herbst gleich einen festen Job. Vor dem Hintergrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt konnte ich das nicht ablehnen. Ich arbeite also hier, um meine Brötchen zu verdienen, aber langfristig interessiere ich mich eher für den künstlerischen Aspekt. Ich hatte im Sommer eine Ausstellung in Jönköping.«
Inger stellte ihr die restliche Truppe vor, doch Kalle war schnell wieder um Fridas Aufmerksamkeit bemüht und redete weiter über seine künstlerischen Ambitionen. Die Unterhaltung nahm mehr und mehr die Form eines selbstvergessenen Monologs an, hinter dem eine Verachtung für die tägliche Routine sowie das Gefühl, den anderen Kollegen überlegen zu sein, hervorschien. Frida spürte plötzlich, wie müde sie war, und suchte nach einer Möglichkeit, das Thema zu wechseln.
» Wo ist eigentlich Åke?«, fragte sie in den Raum hinein.
» Tja, wo ist Åke?«, erwiderte Kalle. » Das ist bei uns jeden Montagvormittag die Standardfrage.«
» Er sitzt wohl zu Hause und füllt seine Vorräte auf«, sagte Mats und zwinkerte Frida zu, die sich dumm vorkam, weil sie seine Bemerkung nicht richtig einordnen konnte.
» Åke ist ganz in Ordnung«, fuhr Inger mit scharfer Stimme dazwischen. » Er macht es, so gut er kann. Und wenn er seine Kreditkarte zückt, seid ihr doch wirklich zufrieden, oder?«, fügte sie an Kalle und Mats gerichtet hinzu.
Es wurde still, und Frida
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