Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
Mann. Sie schließt die Tür hinter sich, und ich sitze da und starre Löcher in die Luft.
Nachdem ich mein Glas halb leer getrunken habe, geht die Tür wieder auf. Frau Müller kommt mit einer derart geraden Haltung auf ihren Pumps zu mir getippelt, dass ich mich sofort angespornt fühle, es ihr gleichtun zu müssen. Dann nimmt sie meine Flasche und mein Glas vom Tisch und sagt: „Herr Klotz ist jetzt so weit.“
Mir steckt ein Kloß im Hals. Jetzt geht es also los. Noch dazu hat Frau Müller gerade geschlagene neunzig Sekunden im Büro von Herrn Klotz verbracht. Was sie ihm wohl erzählt hat?
Während Frau Müller zielstrebigen Ganges vorausmarschiert, schlurfe ich mit weichen Knien hinterher. Hinüber ist der Vorsatz der aufrechten Körperhaltung.
Als ich durch die Tür trete, sitzt Herr Klotz an seinem Computer. Weder würdigt er mich eines Blickes noch steht er auf, um mich zu begrüßen.
Frau Müller lächelt noch immer zuversichtlich, als sie mein Getränk auf den Tisch stellt und anschließend verschwindet.
Ich hole tief Luft. „Herr Klotz“, sage ich laut und freundlich, um den Anschein zu erwecken, als wäre ich selbstbewusst, „es tut mir furchtbar leid, dass ich so spät nach dem vereinbarten Termin auftauche.“ Zielstrebig gehe ich auf ihn zu und strecke ihm meine Hand entgegen. „Ich bin Natalie Hansen.“
Herr Klotz hebt seinen Blick und mustert mich. Er scheint sich nicht ganz sicher zu sein, wie er eigentlich reagieren möchte. Wenn ich tippen müsste, würde ich meinen, dass er mir gerne die wohlverdiente, tadelnde Ansprache halten möchte, jedoch auf der anderen Seite in irgendeiner Art und Weise von mir beeindruckt ist.
Dann steht er plötzlich auf, reicht mir die Hand und sagt mit unergründlicher Miene: „Kurt Klotz. Bitte nehmen Sie doch Platz!“
Ich bin verunsichert. So verärgert wirkt er gar nicht. Trotzdem sollte ich wachsam bleiben. Wer weiß, ob seine Stimmung noch umschlägt.
Wir fangen locker an, zu plaudern. Herr Klotz ist ein Rechtsanwalt, Anfang vierzig mit einer lauten Stimme und einer überaus einprägsamen Art zu sprechen. Ein wenig fühle ich mich an Til Schweiger erinnert, nur dass Herr Klotz dabei nicht nuschelt.
„Sie kommen aus dem schönen Landkreis Nirgendwo?“, fragt Herr Klotz, während er meine Bewerbungsmappe durchblättert.
„Nein und ja“, antworte ich ungewohnt locker.
„Nein und ja? Wie geht das?“
„Schön – nein, dort herkommen – ja.“
Herr Klotz lacht. „Sie scheinen ja nicht besonders an Ihrer Heimat zu hängen.“
„Genau genommen hänge ich überhaupt nicht daran. Bei uns gibt es nämlich nichts, vor allem keine Zukunftsperspektive. Und mit siebenundzwanzig Jahren habe ich auch keine Lust mehr, meiner Mutter beim Ausspionieren der Nachbarn und ihrem Mann beim Trainieren für die Olympiade der internationalen Fressmeisterschaften zuzusehen.“
„So schlimm?“, fragt Herr Klotz grinsend.
Ich schüttle den Kopf. „Schlimmer! Eigentlich möchte ich unbedingt dort weg. Besonders junge Leute haben es in dieser Region bei der Jobsuche enorm schwer. Teilweise wird ihnen mangelnde Berufserfahrung vorgeworfen. Doch die Chance, diese Erfahrung irgendwo zu sammeln, wird einem dort nirgendwo geboten.“
„Dann haben Sie also nicht vor, irgendwann dorthin zurückzukehren?“, fragt er prüfend.
Ich überlege. Habe ich das vor? „Ehrlich gesagt, weiß ich das noch nicht so genau. Für den Anfang ist es bestimmt schwierig, sich fernab der gewohnten Umgebung etwas Neues aufzubauen. Da werde ich das eine oder andere Mal vielleicht noch ein wenig Heimweh verspüren. Doch ich kann mir ebenso gut vorstellen, dass ich mein neues Leben später auch nicht aufgeben möchte.“
Herr Klotz nickt anerkennend. Offenbar hat ihm meine aufrichtige Antwort gefallen.
Als ich aus dem Büro von Herrn Klotz komme, bewege ich mich wie ein Zombie auf Frau Müller zu.
„Und?“, fragt sie mit einem herzlichen Grinsen.
„Ich habe den Job“, murmle ich entgeistert.
„Das ist ja fantastisch!“, strahlt Frau Müller und wirkt dabei so, als hätte sie es lange vor mir gewusst. „Meinen Glückwunsch!“ Energisch schüttelt sie mir die Hand. „Dann können wir die Förmlichkeiten ja jetzt beiseitelassen. Ich bin Sandra. Meine Freunde nennen mich Sunny.“
„Natalie“, murmle ich noch immer verwirrt. „Wo ich herkomme, nennt man mich Atelie.“
Sandra verzieht das Gesicht. „Was ist denn das für ein Spitzname? Bestehst du darauf oder
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