Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
Tapferkeit.“
„Meinst du?“, frage ich ihn nachdenklich.
„Meine ich“, antwortet er bestimmt. „Apropos Haken. Hat deine Mutter sich mal bei dir gemeldet.“
„Nein“, entgegne ich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Insgeheim habe ich ja gehofft, dass sie vielleicht doch ein Herz besitzt und ihre arbeitslose, alleinstehende Tochter emotional unterstützt. So, wie es momentan aussieht, könnte ich wohl auch ganz allein in meiner Wohnung an einem Herzinfarkt krepieren, und es würde sie nicht interessieren.“
„Das könntest du nicht. Immerhin bin ich auch noch da. Und auch, wenn du es nicht glauben magst, schaue ich doch jeden Tag, wenn ich zur Arbeit fahre, zu deinen Fenstern hoch und prüfe, ob sich die Vorhänge bewegt haben.“
„Das tust du?“, keuche ich gerührt.
„Na auf jeden Fall! Wenn schon für Gundula jede Rettung zu spät kommt, will ich wenigstens an dir versuchen, zu retten, was noch zu retten ist. Denn ganz offensichtlich hast du nicht die beschränkten Eigenarten deiner Mutter geerbt. Außerdem ist es auch gar nicht so schlimm, dass sie sich nicht bei dir meldet.“ Bernd steht auf, verschwindet in den Flur und kommt anschließend mit einem dicken Briefumschlag zurück.
„Schon wieder ein Brief vom Rechtsanwalt?“, frage ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ja“, entgegnet Bernd verärgert. „Offenbar ist deine Mutter mittlerweile so arm, dass sie sich nicht einmal mehr Butter für ihr Brot leisten kann.“
Ich kichere und nehme ihm den Umschlag aus der Hand. Kaum, dass ich den Brief entfaltet habe, fällt mein Blick sofort auf die Passage mit den Worten „keine Butter mehr leisten …“. Mein Grinsen verschwindet. „Das steht ja wirklich da! Und sie macht dich dafür verantwortlich?“
„Ganz genau! Offenbar hat sie sich finanziell noch immer nicht davon erholt, dass sie den Kindesunterhalt damals hat vorschießen müssen. Jetzt verlangt sie so etwas wie Schadensersatz.“
„Die spinnt doch!“, rufe ich empört aus. „Über die Jahre hat sie sich so viel Geld zusammengegeizt, dass noch nicht einmal der fette Horst die ganze Butter verdrücken könnte, die man davon kaufen kann.“
„Tja“, sagt Bernd resignierend, „manche Menschen ändern sich einfach nicht. Deshalb weiß ich nicht, ob es wirklich so tragisch ist, wenn sie sich nicht bei dir meldet. Ich für meinen Teil würde jedenfalls gerne mit dir tauschen.“
Als ich mit meinem Auto nach Hause fahre, bin ich ganz zittrig vom vielen Krümelkaffee. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich meinen neuen Job heute lieber mit einem Gläschen Sekt gefeiert. Da Bernd allerdings trockener Alkoholiker ist, will er so etwas nicht im Haus haben. Die Versuchung ist einfach zu groß und er hat viel zu lange daran arbeiten müssen, von dem Zeug wegzukommen.
Ich für meinen Teil könnte jedoch trotzdem ein Schlückchen vertragen. Und das noch nicht einmal, weil ich in Feierlaune, sondern vielmehr weil ich mal wieder stinksauer auf meine Mutter bin. Wenn ihre Sticheleien mich betreffen, nimmt es mich beinahe gar nicht mehr mit, doch bei Bernd ist das anders. Er ist so ein lieber, netter Kerl und hatte es wirklich nie leicht im Leben. Trotzdem hat er sich immer irgendwie wieder aufgerappelt und sich sogar mit den Sticheleien meiner Mutter arrangiert.
Da es bereits nach zwanzig Uhr ist, fahre ich eine Tankstelle an. Im Kaff „Einödenheim“ werden nämlich gegen acht Uhr abends die Bürgersteige hochgeklappt. Da ist nix mehr los ...
Ohne mir die Preisschilder anzuschauen, greife ich nach der erstbesten Whiskyflasche, die mir ins Auge fällt.
„Das macht zweiunddreißig fünfundneunzig“, sagt der dicke Herr hinter der Kasse.
Ich lege ihm fünfunddreißig Euro hin und sage: „Stimmt so! Ich habe jetzt einen Job.“ Während ich die Tankstelle verlasse und in mein Auto steige, wird mir bewusst, dass ich gerade das Verpflegungsgeld einer ganzen Woche in den Whisky investiert habe. Doch irgendwie ist mir das an diesem Abend schnurz. Im Hinblick auf meine Familie bin ich wahnsinnig aufgebracht und mehr als glücklich über meinen neuen Job. Dieses Gefühlsdurcheinander muss jetzt irgendwie miteinander in Einklang gebracht werden.
In meiner Wohnung angekommen, schließe ich erst einmal den Drucker an, den Bernd mir für die nächsten Tage geliehen hat. Ich habe ihm gesagt, dass ich diverse Kündigungsschreiben die Wohnung betreffend und anderen Papierkram erledigen will. Glücklicherweise weiß er noch nicht, was
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