Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
weiblichen Touch besitzt und nicht unbedingt irgendwelche Frauenaccessoires tragen müsste, um bei homosexuellen Männern aufzufallen. Das macht sich ganz besonders bemerkbar, als er sich Neles Lippenpflegestift mit Perlglanzeffekt schnappt und extra viel davon aufträgt. Letzten Endes beschließe ich dann aber, diese Erkenntnis vorerst doch lieber für mich zu behalten.
Andreas findet Bennys glänzende Lippen so witzig, dass er von ihm ein Foto macht, und ich frage ihn, ob er das bei Facebook hochladen will.
„Ich drehe später noch ein Video und veröffentliche es dann bei YouTube“, sagt er grinsend.
„Gibt es da noch weitere Werke von Ihnen?“, frage ich neugierig.
„Bisher noch nicht, aber ich stöbere dort ganz gerne mal. Wenn man danach sucht, findet man wirklich ganz faszinierende Videos. Da gibt es Künstler, die einen fünfminütigen Film mit einer WALL•E Spielzeugfigur gedreht haben. Einfach umwerfend, kann ich dir sagen.“
Ich mustere ihn verwirrt. Offenbar duzen wir uns jetzt. Das finde ich gut. So lässt es sich doch gleich viel entspannter reden.
„Du schaust gerne WALL•E?“, frage ich ihn entzückt. Irgendwie ist es seltsam, ihn zu duzen. Gleichzeitig fühlt es sich aber auch an, als schwebe ich auf Wolke Sieben.
„Ich habe den Film zu Hause“, bemerkt er mit einem Lächeln, als wäre er bei einer geheimen Leidenschaft ertappt worden. „Ich liebe diese 3-D-Animationsfilme. Doch WALL•E ist mit Abstand der beste von allen.“
Ich schmelze dahin. Er liebt 3-D-Animationsfilme. Ich auch! Zwar bin ich mir nicht sicher, ob WALL•E wirklich zu den außergewöhnlichsten Streifen zählt, aber schlecht ist er in jedem Fall nicht. Allerdings meine ich, die Gründe zu kennen, warum Andreas ausgerechnet diesen Film so toll findet. WALL•E und er haben nämlich exakt den gleichen Blick drauf.
„Was hast du sonst noch für Hobbys?“, forsche ich neugierig.
„Ich fahre gerne Fahrrad“, antwortet er.
Ich verziehe das Gesicht. Ein Sportler also. Als Kind bin ich auch mal gerne Fahrrad gefahren, doch mittlerweile bewege ich mich nie mehr als nötig. Andererseits ist der Hinweis auf sportliche Betätigungen aber auch ein Indiz dafür, dass er auf sich und seinen Körper achtet. Also kommt dieser Punkt sowohl auf meine Pro- als auch auf die Kontra-Liste.
„Und was treibst du so in deiner Freizeit?“, möchte Andreas wissen.
Ich überlege. Genau betrachtet hat er nur nach Freizeitbeschäftigungen gefragt, nicht nach Hobbys. Spontan fällt mir das Wegräumen schmutziger Unterwäsche von übergewichtigen Leuten ein. Außerdem denke ich an die Sissi-Filme, meinen stetig anwachsenden Weinkonsum und die Erprobung neuer Methoden zur Abwehr aufdringlicher Männer.
„Ich shoppe gerne“, beichte ich. Das ist ziemlich neutral und trifft wohl auf so ziemlich jede Frau zu. Nebenbei bemerkt, glaube ich auch nicht, dass mir die anderen Betätigungen irgendwelche Pluspunkte einbrächten.
Während ich mir einen Cocktail nach dem anderen bestelle, sinkt meine Hemmschwelle. Andreas und ich finden heraus, dass wir den gleichen Humor haben. Zusammen lachen wir über Dinge, bei denen Nele und Benny nur die Augenbrauen hochziehen. Auf der anderen Seite können wir wiederum nur teilweise über Bennys Witze lachen.
Ich erzähle, dass ich gern singe und schlage vor, eine Karaoke-Bar aufzusuchen. All meinen Befürchtungen zum Trotz, sind die anderen von dieser Idee hellauf begeistert. Schnell zahlen, austrinken und los geht‘s.
Unterwegs kommen wir an einem Club für homosexuelle Männer vorbei. Der Türsteher pfeift, als er Andreas sieht. Als wir näher an ihn herantreten, fällt ihm mein pinkes Glitzerportemonnaie auf, das zur Hälfte aus meiner Handtasche schaut. Er fängt an, zu schwärmen und fragt, woher ich es habe. Natürlich erwähne ich nicht, dass ich dieses hübsche Funkelteil bei meiner jüngsten Shopping-Tour erbeutet und gleich drei davon mitgenommen habe. Vielmehr erzähle ich ihm, dass ich es mir vor drei Jahren aus den USA mitbringen lassen und seither nichts Ähnliches mehr gesehen habe. Er mustert mich betrübt, und ich schlage ihm einen Deal vor.
„Ich überlasse es dir hier und jetzt, wenn du diese Telefonnummer bei euch im Club in Umlauf bringst. Sie gehört einem Freund von mir. Er ist sehr schüchtern und traut sich oft nicht, jemanden anzusprechen.“ Wir besiegeln unser Geschäft mit einem Handschlag. Er verspricht, sich dem Anliegen von
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