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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
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Herausgabe der Gestapo-Akten bewegen zu können.
    „Der Professor sprach über deine Diplomarbeit, in der mein Vater vorkam. Und der Professor berichtete auch über diesen gefälschten Brief. Darüber braucht dich nichts zu beunruhigen, Manfred. Das ist nun wirklich kein Problem für mich.“
    „Das ist es nicht, was mein schlechtes Gewissen anfeuert.“
    Manfred berichtete über eine Veranstaltung zur NS-Zeit, zu der er für eine Podiumsdiskussion eingeladen worden war und bei der es sowohl beim Publikum als auch auf dem Podium merkwürdige Sichtweisen gab. „Ich hatte mich über den Veranstalter nicht erkundigt. Die Leute kamen aus suspekten weltanschaulichen Milieus. Schnell merkte ich, dass ich da falsch bin, aber anstatt einfach aufzustehen und zu gehen, ließ ich mich zu einer Debatte hinreißen...“
    „Hierbei hast du dann meinen Vater schlecht gemacht.“
    „Genau. Eher aus Hilflosigkeit heraus. Zu meinem Entsetzen war es Konsens auf der Veranstaltung, NS-Verbrecher allesamt als Opfer der Umstände zu sehen...“
    „Dabei wurden sogar ihre menschlichen Seiten gewürdigt“, unterbrach Hermine erneut.
    „Genau. Das ging sogar soweit, dass gesagt wurde...“
    „Dass auch Hitler ja eigentlich nur Gutes wollte.“
    „Genau. Und dann habe ich, innerlich nahe am cholerischen Ausbruch, krampfhaft nach einem Beispiel gesucht, das die absurden Interpretationen wackeln lassen sollte. Paul Seligen fiel mir ein. Ich schrieb seinen Namen groß an eine Tafel und legte los. Ich machte ihn zum Ungeheuer.“
    „Wobei deine Reaktion, und zwar ganz unabhängig von meinem Vater, falsch war. Das Unfassbare lag ja darin, dass unvorstellbare Verbrechen und liebevolle Züge in einer Person zusammen kommen konnten. Weil dir dieser Zusammenhang in deinem hochemotionalen Zustand nicht zugänglich war, konntest du das Publikum aber nicht zum Nachdenken bringen. Im Gegenteil, man lachte dich aus...“
    „Genau.“
    „Man forderte dich auf, den Saal zu verlassen.“
    „Genau.“
    „Irgendwann sagtest du noch ein paar Schimpfwörter und gingst weg.“
    „ Ge..., sag mal woher weißt du das?“
    „Ich saß im Publikum.“
    „Schau mal einer an.“
    Es gibt Gespräche, die bedürfen der Pause, um weitergeführt werden zu können. Manfreds und Hermines Gesichter verrieten keinerlei irgendwie gearteten Ausnahmezustand, als sie sich nach einiger Zeit wieder mit ihren Augen begegneten. Im Gegenteil, beide Mienen favorisierten den Ausdruck der Sympathie und einigten sich sofort darauf, das Gewesene ebenso komisch wie faszinierend finden zu wollen.
    „Das mit den ‚suspekten weltanschaulichen Milieus‘, wie du die Veranstalter einschätzt, das...“
    „Ich wollte damit nicht persönlich werden, Hermine, zuweilen traue ich meinen eigenen Weltanschauungen auch nicht sonderlich über den Weg.“ Manfred erinnerte sich des esoterischen Eindrucks beim Betreten des Hauses und wollte keinen Zweifel an seinem Respekt vor der Gastgeberin aufkommen lassen.
    „Nein, nein, deine Umschreibung traf es sehr gut.“ Hermine ahnte die Annahmen ihres Gegenübers und schien sich darüber zu amüsieren, als sie sagte: „Es gab einige innere Wandlungen in meinem Leben. Einer Hinwendung zur Esoterik folgte eine Leidenschaft für die Psychologie, in dessen Folge ich es über den zweiten Bildungsweg zur Therapeutin gebracht habe. Und irgendwann kam die neue Wendung, in deren Folge ich mein Fach kritischer sah. Deswegen habe ich meinen Renteneintritt herbeigesehnt.“
    Hermines Grienen war kaum zu übersehen, als sie sagte: „In diesem Prozess bin ich dann Kommunistin geworden.“
    Manfred antwortete ohne zu zögern: „Beeindruckend... Ich korrigiere mich: Sehr beeindruckend. Bisher kannte ich lediglich den umgekehrten Weg.“
    Augenblicklich empfand Manfred Lust, dem Gespräch peitschende Vorlagen zu geben. „Ich gehe davon aus, deine Leidenschaft gilt eher nicht Pol Pot oder Kim Il Sung. Und du bist auch nicht die Gründerin einer Kommunistischen Gruppe Navis.“
    Hermine schüttelte sich, dann lachte sie über beide Backen. „Freidenkerin bin ich natürlich... Ich arbeite mit einigen ehemaligen Kollegen wissenschaftlich an Fragen der Kritischen Psychologie. Das ist ziemlich spannend für mich.“
    Spannend ist auch diese Frau, dachte Manfred. Er konnte es kaum lassen, Hermine nun immerzu anzugucken. Und Hermine unternahm keine Anstalten, den Blicken aus dem Weg zu gehen.
    „Wie hast du das damals ertragen, dass ich auf der Veranstaltung

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