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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
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Keller-Gestapo gefunden worden.
    Es sollte noch lange dauern, bis sich Manfred und Hermine Seligen kennen lernten. Erst vor ein einhalb Jahren auf Manfreds Silberhochzeit war das der Fall, als Manfred die Unbekannte kurzerhand eingeladen hatte. Es kam zu dem ein oder anderen Small Talk, den beide Seiten als ausgesprochen angenehm in Erinnerung behielten.
    Manfred vermutete, dass das heutige Gespräch eine deutlich höhere Intensität einnehmen würde. Schon die vorgesehene Übernachtung in Hermines Haus sprach dafür.
    Dass das Navistal nur einige Dutzend Straßenkilometer von Klausen entfernt lag, erschien Manfred anfangs unheimlich. Immer hatte Manfred in den letzten 30 Jahren, wenn er sich Richtung Italien bewegte, die Strecke über die Brenner-Autobahn, die an Klausen vorbei führte, gemieden. Nun war das für Manfred unmöglich, denn über keinen anderen Fahrweg konnte das Alpental erreicht werden, an dessen Ende der kleine Ort Navis lag, in dem sich Hermine Seligen niedergelassen hatte. Von der Abfahrt Matrei/Steinach erreichte Manfred nach einigen Kilometern das Dorf, in welchem ganz in der Nähe des kleinen Friedhofs das Häuschen der Frau stand, die nur wenige Jahre jünger als er war. Manfred war müde und sah auch so aus, als er aus seinem Auto stieg und an der Haustür bimmelte.
    „Wollen Sie erst mal in Ruhe ankommen und sich ein Stündchen aufs Zimmer begeben?“, fragte Hermine Seligen mit einem freundlichen Lächeln. Der Blick in den Flur und in den offen anliegenden großen Wohnraum zeigte Manfred eine Einrichtung, die ihn für eine Frau, die sich Zeit ihres Lebens mit Seelenkrankheiten beschäftigte, nicht überraschte. Ein guter Schuss Esoterik, fasste Manfred den Wohnstil zusammen. Die Bilder und Gegenstände, die die Wände und wenigen Möbel zierten, sagten Manfred nichts.
    „Das muss tendenziell Kunst sein“, sprach er mit ausladenden Händen, als er sich nach einem Rundblick mit betont liebenswürdigem Gesicht der Gastgeberin zuwandte, bevor er ergänzte: „Wir hatten uns bei meiner Silberhochzeit schon beim ersten Satz geduzt, werte Frau Seligen.“
    „Na, dann bleiben wir doch dabei, werter Manfred“, schallte es zurück.
    Manfreds Ruhepause in einer ganz in Orange gestrichenen kleinen Dachkammer folgte ein Abendessen, dessen Bestandteile Manfred zwar weitgehend unbekannt waren, von ihm aber als ausgesprochen gesund eingeschätzt wurden. Auf Frage nach seinem Bekommen antwortete er mit einem unpassenden, wenn auch nicht so gemeinten „Ich bin ein dankbarer Esser“. Schon vor dem ersten Gabeln war Wein getrunken worden, eine Tätigkeit, die bis zum Schlafen nicht aufgegeben werden sollte.
    Nur kurz war im Folgenden von Manfreds Krankheit die Rede. Im Zentrum des Austausches standen alle möglichen Themen, die im öffentlichen Geschehen derzeit eine Rolle spielten; es ging hin und her. „Es bringt Spaß sich mit dir zu unterhalten“, bekam Hermine irgendwann Lust, ihrer Begeisterung über das Beisammensein Ausdruck zu verleihen.
    „Selbstredend. Das erste Mal erlebte ich einen solch abwechslungsreichen Dialog im Alter von zehn Jahren mit meiner heutigen Frau Ilona“, fügte Manfred ohne Scheu an. „Und jetzt schon wieder“, grinste er.
    Hermine lachte hell auf; sie zeigte es gern, dass sie sich geschmeichelt fühlte. Dabei sah sie den richtigen Zeitpunkt gekommen, ihre beruflich spezifische Neugier zu befriedigen und fragte: „Therapieerfahren, Manfred?“
    „Ach was, ich doch nicht. Feigling hoch Sau“, zwinkerte er.
    Hermine guckte auf seine Hände und ihre Blicke blieben da auch, als sie sagte: „Glaube ich nicht.“
    „Kann sein. Heute noch beruflich aktiv?“
    „Nein. Ich wollte die Arbeit nicht bis zu meinem Tod machen, dazu ist der Blick auf meine Profession im Laufe der Zeit zu kritisch geworden.“
    „Freud ist Klasse, wenn ich als Laie meinen Senf dazu geben darf.“
    Hermine zögerte mit ihrer Antwort. „Das ist es nicht.“
    Was es ist, scheint sie nicht sagen zu wollen, merkte Manfred und suchte nach einem Anschlussthema. „Also meine Selbstvorwürfe, von denen ich vorhin kurz erzählte, stehen möglicherweise in fließendem Kontakt mit etwas, worüber dieser Freud mal geforscht hat.“
    Manfred erzählte von der Bedeutung, die der Brief ihres Vaters an Adolf Wegemann für seine Diplomarbeit mal gehabt hatte, einschließlich dessen, dass er Paul Seligens Handschrift mit Hilfe der Kontakte des Professors fälschte, um Klaus Wilkens so über Umwege zur

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