Wo die coolen Kerle wohnen
Männer – er vermeidet das Wort Feigheit – allmählich entstanden.
»Männer im mittleren Alter haben sich an ein mehr oder weniger latentes Schuldgefühl gewöhnt, das eng verwoben ist mit einem Gefühl der Scham. Denn sie haben im Laufe ihres Lebens gelernt, dass sie ganz vieles, was unmittelbar mit ihrem Mannsein zusammenhängt, anscheinend falsch machen. Dass sie als Mann grundsätzlich nicht in Ordnung sind.« Ihre Schuldgefühle haben sie entwickelt, weil sie offenbar immer wieder Dinge tun oder getan haben, die andere, oft Frauen, verletzen. Wie Generationen von Männern vor ihnen. Scham empfinden sie gegenüber den Anteilen, die sie an sich selbst ablehnen, weil sie gelernt haben, sie als ungehörig oder schmutzig anzusehen, etwa ihre männliche Sexualität.
Von klein auf haben Männer erlebt, dass bestimmte Verhaltensweisen, in denen ihre männliche Energie zum Ausdruck kam, abgelehnt wurden. Alternativen aber, wie sie ihre Eigenart, mit der Welt in Kontakt zu kommen, ihre überschäumende Kraft zum Beispiel oder ihre Aggressionsbereitschaft, in gute Bahnen lenken könnten, lernten sie selten.
Stattdessen hagelte es Ermahnungen, Vorwürfe, Strafen, Verweise, schlechte Noten, Nachsitzen oder Hausarrest für Fehlverhalten. Das ging im Kleinkindalter los, wenn die Buben den niedlichen Mädchen die Sandschaufel auf den Kopf hauten; es setzte sich bei den Schuljungen fort, wenn sie wieder nicht brav stillsitzen konnten und sich in der Pause kloppten; und kulminierte in der Pubertät, wenn sie anfingen, Regeln zu verletzen, wenn sie ausfällig und frech wurden, sich in sexuellen Träumen verloren und gefährliche Sachen ausprobierten – vom riskanten Mopedfahren bis zu Alkohol oder anderen Drogen. War kein Vater oder anderer erwachsener Mann anwesend, der die Jungen unterstützend begleitete und förderte oder wenigstens ein positives männliches Vorbild abgab, hatten die Kerle, bis sie volljährig waren, schon jede Menge Herabwürdigung ihrer männlichen Energie erlebt. Bis viele es verinnerlicht hatten und sich – beschämt und schuldbewusst – selbst als Repräsentanten jenes Täter-Geschlechts »Mann« sahen, das Unbill über die Menschheit bringt.
In jedem Fall ist es heute für jeden Midlife-Mann ein persönlicher Kraftakt: seine tiefsitzenden Scham- und Schuldgefühle zu überwinden und den Begriff »Männlichkeit« für sich neu zu definieren und vor allem: positiv zu füllen. Aber es werden immer mehr, die sich beherzt an die Arbeit machen. Die ihre tiefe Verunsicherung als Chance begreifen, durchstarten und sich dann als ziemlich coole Kerle entpuppen.
Die meisten Männer, mit denen ich gesprochen und von denen ich gehört habe, gerieten mit Anfang vierzig in die Krise, hatten aber nach einigen Jahren, meist mit Ende vierzig, das Schlimmste hinter sich und konnten oft eine völlig neue Perspektive für ihr Leben, ihre Beziehungen und ihren Beruf entwickeln.
Es gibt anscheinend Rhythmen, zeitliche Gesetzmäßigkeiten, die im menschlichen Lebenslauf angelegt sind, und die uns helfen, bestimmte Hürden zu nehmen. Eine nach der anderen.
Die magische Zahl Sieben
Die Beobachtung, dass Midlife-Männer speziell im Zeitraum zwischen Anfang und Ende vierzig die größten Umwälzungen erleben, deckt sich mit den Erfahrungen vieler Therapeuten. Auf Solon, einen der »Sieben Weisen« im antiken Griechenland, geht die Vorstellung zurück, dass das menschliche Leben in Phasen von jeweils sieben Jahren gegliedert ist.
In jeder dieser Phasen stehen demnach bestimmte physische und psychische Veränderungen und entsprechende Entwicklungsaufgaben an. Wobei die ersten drei Siebenjahresschritte im Lebenslauf besonders deutlich zu erkennen sind: Mit 1 x 7 erlebt ein Kind den Zahnwechsel und wird eingeschult, mit 2 x 7 ist es in der Pubertät, mit 3 x 7 ist das jugendliche Erwachsenenalter (früher auch die Volljährigkeit) erreicht.
In der anthroposophischen Menschenkunde und in der Waldorf-Pädagogik nach Rudolf Steiner spielt dieser Siebenjahres-rhythmus bis heute eine wichtige Rolle. Im Erwachsenenalter verschwimmen die Grenzen zwischen den Phasen ein wenig.
Joachim E. Keding (Jahrgang ’58), Coach, Initiator und Leiter der Gesundheitspflege initiativ Bildungsgesellschaft in Esslingen, arbeitet mit diesem Stufenmodell in seiner Biographischen Beratungspraxis seit fast zwanzig Jahren auch mit Erwachsenen erfolgreich.
Das Prinzip basiert auf der antiken Astrologie und geht davon aus, dass jedes Lebensalter
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