Wo die coolen Kerle wohnen
sich auch im Frauenbild der damaligen Zeit spiegelt: Die Frau galt als das »schwache Geschlecht«. Mann sah in ihr das anfällige und leicht kränkelnde Geschöpf, das seiner Natur gemäß Angriffen auf die psychische und körperliche Gesundheit hilflos ausgeliefert ist.
Der Mann dagegen gehörte dem »starken Geschlecht« an, das als grundsätzlich robust und vernunftbestimmt galt und für typisch weibliche »Launenhaftigkeit« nicht anfällig war.
Da die Naturwissenschaften von männlichen Forschern dominiert waren, widmeten sich Ärzte und andere Wissenschaftler aus der überlegenen Position des Stärkeren heraus den klimakterischen »Krankheiten« des weiblichen Geschlechts – während sie die eigenen geschlechtsspezifischen Schwächen ausblendeten. Und somit auch die medizinische Forschung über die Zusammenhänge von Hormonen, Gesundheit und Befindlichkeit im männlichen Körper ausbremsten.
Diese Abwehr oder zumindest das Desinteresse der Wissenschaft, körperliche Ursachen für die Krisen der Midlife-Männer in den Blick zu nehmen, lässt sich bis heute nachweisen. Bis in die 1980er Jahre ging man bei Männern lediglich von einer Lebenskrise aus, die als seelische Reaktion auf äußere, berufliche und familiäre Überlastung verstanden wurde.
»In den 1960er Jahren hat der Londoner Psychoanalytiker und Psychologe Elliot Jacques den Begriff Midlife-Crisis geprägt«, berichtet Hans-Georg Hofer. »Damit waren psychische und emotionale Unsicherheiten in der Lebensmitte gemeint. Der Begriff konnte sich in der universitären Medizin aber nicht durchsetzen.« Körperliche Erschöpfungssymptome und Herzbeschwerden wurden damals auch unter dem Ausdruck »Managerkrankheit« zusammengefasst. »Bei der Managerkrankheit standen berufliche Überforderung und die Belastungen des modernen Lebens im Vordergrund. Nicht aber das Erreichen einer bestimmten Lebensphase, die per se Beschwerden mit sich bringt.«
Die Medizin hält also verschiedene Krankheitskonzepte parat, mit denen sie die immer gleichen Symptome aus verschiedenen Richtungen herleitet, erklärt und versucht, sie entsprechend zu therapieren.
In den 1980er Jahren wendete sich das Blatt vom psychologischen hin zum hormonellen Erklärungsmuster. Analog zu den Begriffen Klimakterium und Menopause für die weiblichen Wechseljahre, wurden Klimakterium virile (von vir , der Mann, virile = männlich) und Andropause eingeführt.
Wobei die Wortschöpfung »Andropause« ziemlich unglücklich gewählt und auch nicht wirklich analog zu Menopause ist. Menopause (vom lateinischen mens , der Monat, und dem griechischen pausis, das Ende) bezeichnet das Ende der Monatsblutungen. »Andropause« (von griechisch anér / andros , der Mann, und pausis , das Ende) heißt wörtlich »Ende des Mannes«. Und davon kann ja zum Glück keine Rede sein.
Klimakterium virile ist heute definiert als die Lebensphase im natürlichen Alterungsprozess des Mannes, in der sein Testosteronspiegel sinkt, und die oft von einem krisenhaften Erleben seiner Lebensumstände und unterschiedlichen körperlichen Beschwerden begleitet sein kann.
Das Hormon Testosteron steigt im Männerkörper ab der Pubertät bis etwa zum 30. Lebensjahr kontinuierlich an; ab etwa 35 bis 40 Jahren nimmt die Testosteronkonzentration in seinem Blut ab, um jährlich etwa 1 bis 2 Prozent.
Die »Wechseljahre« können bei Männern schonab etwa 35 Jahren – und damit früher als bei den meistenFrauen – einsetzen. Ihr Verlauf gilt im Allgemeinen aber als schleichender, die Symptome sind meist weniger ausgeprägt, und auch nicht jeder Mann sei davon betroffen, heißt es.
Männer wollen vor ihren Geschlechtsgenossen nicht als Weicheier dastehen. Auch nicht vor einem Arzt.
Da aber die Beschreibung von Art, Stärke und Häufigkeit der Beschwerden davon abhängt, was Patienten ihren Ärzten anvertrauen, ist die Dunkelziffer leidender Midlife-Männer vermutlich hoch. Jedenfalls in der medizinischen Statistik. Denn erstens geben Männer generell ungern zu, dass ihnen überhaupt etwas fehlt, zweitens gehen sie so selten wie nur möglich überhaupt zum Arzt, und drittens wollen sie vor ihren Geschlechtsgenossen nicht als Weicheier dastehen. Nicht einmal vor ihrem Arzt. Ob also die psychosomatischen Symptome unter Midlife-Männern tatsächlich weniger verbreitet sind als unter Frauen mittleren Alters, ist kaum nachprüfbar. Außerdem bedeutet das Fehlen von Beschwerden ja keineswegs, dass die Männer gar nichts bemerken. Manche
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