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Wo die coolen Kerle wohnen

Wo die coolen Kerle wohnen

Titel: Wo die coolen Kerle wohnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Friedmann
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an 16 jungen Frauen (also Personen mit niedrigem Testosteronspiegel), die aus der Durchschnittsbevölkerung rekrutiert wurden. Man verabreichte ihnen eine kleine Menge Testosteron. Nach der Hormongabe ließ man sie den »Reading the Mind in the Eyes«-Test machen, in dem die Fähigkeit, Stimmung und Gefühle aus dem Ausdruck von Gesichtern zu erschließen, geprüft wird. Den Frauen wurden entsprechende Fotos vorgelegt, und sie sollten sagen, welche Gemütsverfassung sich in den abgebildeten Gesichtern widerspiegelte.
    Unter dem Einfluss von Testosteron verschlechterte sich das vielgepriesene weibliche Empathievermögen schlagartig. In vielen Fällen sank es fast auf das Niveau, wo Männer normalerweise »herumkrebsen«. Allerdings scheint Testosteron nicht direkt das Mitgefühl zu unterdrücken, es wirkt vielmehr hemmend auf das neuroendokrine System, das die Aufgabe hat, Oxytocin auszuschütten; dieses »Bindungs«-Hormon aktiviert unser Einfühlungsvermögen.
    Testosteron ist demnach mit dafür verantwortlich, dass Männer es so oft an Einfühlung, an Mit- und Feingefühl fehlen lassen. Und es bedeutet, dass das männliche Geschlechtshormon wahrscheinlich an der Entstehung von Autismus beteiligt ist. Das passt mit der Beobachtung zusammen, dass Frauen, deren Ringfinger länger sind als die Zeigefinger, im Gesichtslesetest schlechter abschnitten als ihre Geschlechtsgenossinnen mit gleich langen Zeige- und Ringfingern oder längerem Zeige- als Ringfinger. Längere Ringfinger weisen darauf hin, dass diese Frauen schon als Embryo im Mutterleib einer höheren Testosteronzufuhr ausgesetzt waren.
    »Wir sind begeistert davon, dass wir das herausgefunden haben«, sagt Jack van Honk, »denn es lässt darauf schließen, dass sich die vorgeburtliche Höhe des Testosteronspiegels auf die Psyche auswirkt.«
    Besonders hohe Testosteronwerte zeigen aber auch »nachgeburtlich« starke Wirkung. Männer mit individuell viel Testosteron im Blut gehen mehr Risiken ein, verlieren eher Augenmaß und Umsicht. Sie rasen zum Beispiel wie die Wahnsinnigen mit dem Auto oder Motorrad durch die Gegend – typisches Verhalten von testosterongefluteten Jugendlichen –,sie setzen ihre gesamte Habe beim Pokern aufs Spiel, lassen sich ungehemmt auf gefährliche Sexabenteuer ein oder verhalten sich ganz allgemein rücksichtslos.
    Untersuchungen, die Wissenschaftler von der Universität Cambridge durchführten, zeigten, dass Londoner Börsenmakler umso mehr Geld machten, je mehr Testosteron morgens in ihrem Blut zirkulierte. Das Ganze funktionierte auch umgekehrt: Je mehr Erfolge die Makler verbuchen konnten, umso mehr Testosteron produzierte ihr Körper. Da die Zunahme des Testosterons die Risikobereitschaft weiter ansteigen lässt, vermuteten die Wissenschaftler, dass mit zunehmendem Erfolg auch die Gefahr wächst, im Testosteron-Rausch schließlich zu viel zu wagen – und eventuell alles zu verlieren.
    Es ist also was dran an dem alten Spruch: Erfolg macht sexy. Dreht sich aber die Erfolgs- und damit auch die Testosteronschraube immer weiter nach oben, ist der Absturz fast vorprogrammiert. Denn es verbindet sich das Gefühl, unverwundbar zu sein, mit der aggressiven Vorstellung, sich einfach alles leisten und nehmen zu dürfen, gekoppelt mit zunehmender Blindheit für die Bedürfnisse anderer. Nicht wenige folgenreiche Fehlleistungen in Politik und Finanzwelt stehen wohl mit dieser Erfolgstestosteron-Spirale in Zusammenhang.
    Und dann droht bei einem Zuviel an Testosteron auch noch eine Glatze: Kriegen die Haarwurzeln zu viel Dehydrotestosteron ab, schieben sie bei Männern mit entsprechender genetischer Veranlagung keine neuen Haare mehr nach. Und da zu viel Testosteron auch in Östrogen umgewandelt werden kann, wachsen manchen testosteronlastigen Männern Brüste.
    In dem britischen Wochenmagazin New Statesman brüstete sich ein auf Wechseljahre-Frauen spezialisierter Arzt einmal damit, Damen mittleren Alters in der Politik mit Testosteron konkurrenzfähig zu machen. Der Artikel erschien im Sommer 2003 unter der Überschrift »Wer ist auf Testosteron?«. Einige Parlamentarierinnen wären seit Jahren »auf Droge«, heißt es darin; sie versuchten, »in der Machowelt der Politik zu überleben, indem sie auf hormonelle Hilfe zurückgreifen«. Sie täten das, »um sich im männerdominierten House of Commons behaupten zu können«.
    Malcolm Whitehead, Gynäkologe und Experte für Hormonersatztherapie, der in London eine Privatklinik für Frauen in

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