Wo die coolen Kerle wohnen
Hormonersatztherapie in die Kritik geraten, und die Zahl der Frauen, die Hormone schlucken, hat massiv abgenommen«, sagt dazu Annegret Gutzmann (Jahrgang ’ 53). Sie ist seit 1990 niedergelassene Frauenärztin in eigener Praxis, beratende Ärztin bei Pro familia Köln und beim Diakonischen Werk Bonn. Sie besitzt Zusatzqualifikationen in Sexualmedizin und Psychotherapie, Altersgynäkologie ist mittlerweile ein Schwerpunkt ihrer Praxis.
Testosteron kann auch bei Frauen nach den Wechseljahren eingesetzt werden – zur Lust- und Antriebssteigerung. Dr. Gutzmann hält das jedoch für unnötig und wissenschaftlich unbegründet: »Immer wieder wird behauptet, dass es nach der Menopause – also angeblich hormonbedingt – zu einem Verlust des sexuellen Verlangens kommt, das konnte die Sexualforschung aber nicht belegen«, erläutert sie in ihrem Aufsatz »Gut und gerne reifer werden« (in: UGB-Forum 3/11). »Zwar lässt sich, wenn das erwünscht ist, mithilfe von Testosterongaben die Libido der Frau steigern. Aber das sexuelle Leben und Erleben der Frau nach der Menopause wird ungleich viel stärker von einer Vielzahl psychosozialer Variablen beeinflusst. Von ihrem Sexualverhalten in früheren Jahren, vom Vorhandensein eines Sexualpartners oder einer -partnerin oder von Kommunikationsstörungen in ihrer Partnerschaft.«
Könnte sich das bei den Männern nicht ähnlich verhalten?
Hormone beeinflussen die Gefühle, und Gefühle beeinflussen die Hormone. Körper und Geist, seelische Befindlichkeit und Hormonhaushalt durchdringen und bedingen sich bekanntermaßen gegenseitig.
Das Wort Hormon kommt vom griechischen hormáo , was bedeutet: ich rege an, treibe an – auch Hermes, der Götterbote, hat seinen Namen daher. Hormone sind hochspezialisierte und hochwirksame Botenstoffe, die im Blut zirkulieren und Informationen weiterleiten. Man kann sie sich als talentierte Netzwerker vorstellen, die auf ihren Wegen in der Blutbahn hier etwas ankurbeln, dort etwas dämpfen. Jedes Hormon hat seinen ganz speziellen Ansprechpartner, mit dem es in Austausch steht. Und alle reagieren – auch auf sämtliche Reize von außen – höchst feinsinnig. Ein fantastisches, perfekt vernetztes Kommunikationssystem also. Und das Ganze ist noch dazu bei jedem Menschen individuell verschieden.
Umso unangemessener erscheint es, Normwerte für einen »gesunden« Testosteronlevel aufzustellen, an denen der Einzelne gemessen wird, um ihm bei einem Wert, der von dieser Vorgabe abweicht, Hormone zu verabreichen.
Dabei stellt sich doch zwangsläufig die Frage, ob die Einnahme von Östrogen oder Testosteron nicht die selbstbestimmte seelisch-geistig-körperliche Umstellung auf die neue Lebensphase verhindert oder zumindest erschwert?
Es waren Ärztinnen, die in der Gynäkologie eine ganzheitliche Sicht auf die Frauengesundheit angestrebt und in weiten Teilen durchgesetzt haben. Sie sind bereits geübt darin, körperliche Symptome in ihrer leib-seelischen Verflechtung zu sehen. Dagegen sind männliche Kollegen, die ausdrücklich auf Männergesundheit spezialisiert sind und dabei den ganzen Menschen im Blick haben, noch selten. Aber es werden immer mehr, die auch in der Männerheilkunde eine ganzheitliche Sicht fordern.
Einen Vorteil hat übrigens der aktuelle Fokus der Medizin auf das Männerhormon Testosteron: Es gibt jede Menge spannende neue Forschungsergebnisse aus der Welt der Männer, die auch für uns Frauen höchst aufschlussreich sind.
Der Psychologe Jack van Honk und sein Team von der Universität Utrecht wollen herausfinden, wie Autismus entsteht, um damit die Grundlagen zu schaffen, Menschen mit dieser Störung behandeln zu können.
Autismus ist angeboren und tritt fast nur bei Jungen auf. Zu dieser Störung gehört, dass die Betroffenen nicht in der Lage sind, Gefühlsregungen in der Mimik ihrer Mitmenschen zu erkennen. Sie können nicht in Gesichtern »lesen« oder andere Signale der Körpersprache richtig interpretieren. Deshalb merken sie zum Beispiel nicht, ob ihre Mutter gerade zornig ist oder ihr Kind zärtlich anschaut. Das heißt, Autisten fehlt Empathie, die Gabe, sich in andere Menschen hineinzuversetzen – mit ein Grund dafür, dass sie nur sehr schwer kommunizieren und kaum mit anderen in Kontakt treten können.
»Es ist bekannt, dass Frauen im Durchschnitt eine etwas größere soziale Intelligenz besitzen als Männer«, erklärt Jack van Honk, »jetzt wissen wir womöglich, warum.« Er testete die Wirkung von Testosteron
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