Wo die coolen Kerle wohnen
Unterschied zu den Eizellen der Frau sind die Spermien der Männer nicht auf Vorrat angelegt, sondern werden ab der Pubertät im Hoden alle 16 Tage neu gebildet, sind also im Prinzip immer frisch und ewig jung. Inzwischen aber weiß man von 20 Erbkrankheiten, die auf defekte Spermien zurückzuführen sind. Nur sehr selten kommt es zwar zu körperlichen Behinderungen, wie etwa der Achondroplasie, bei der die Kinder mit verkürzten und verformten Arm- und Beinknochen zur Welt kommen. Dagegen treten psychische Störungen bei Kindern älterer Väter ähnlich häufig auf wie das Down-Syndrom bei Kindern älterer Mütter.
Warum viele dieser Vater-abhängigen Krankheiten entstehen, ist noch nicht sicher geklärt. Die meisten Genforscher nehmen aber an, es könnte daran liegen, dass sich die Spermien eines älteren Mannes schon zu oft geteilt haben. Jede neue Keimzelle wird nämlich dadurch gebildet, dass sich eine ältere teilt. Bei einem 50 Jahre alten Mann haben sich die Vorläuferzellen der Spermien im Durchschnitt schon über 800-mal geteilt. Da bei jeder Teilung das Erbgut im Zellkern verdoppelt wird, schleichen sich leicht Fehler ein. Normalerweise können diese Fehler zwar korrigiert werden, doch je älter die Männer, desto schlechter scheint das Reparatursystem zu funktionieren. Bei einigen Defekten, die zu schweren Erkrankungen der Kinder führen, bilden sich sogar ausgerechnet jene Zellen zu fertigen aktiven Samenzellen aus, die die folgenschwere Mutation in sich tragen.
Die Wissenschaft ist sich heute also sicher, dass der Zahn der Zeit am männlichen Sperma genauso nagt wie an den weiblichen Eizellen. Allerdings hat diese Erkenntnis bislang kaum Folgen für die Praxis. Denn anders als für den Nachweis des Down-Syndroms gibt es für die meisten Krankheiten, die mit dem Alter des Vaters zusammenhängen, noch keine geeigneten Diagnosemethoden.
Da Schwangere außerdem die meisten Embryonen mit schweren Behinderungen schon in der Frühschwangerschaft verlieren, oft bei Abgängen, die sie gar nicht bemerken, kann man nur annehmen, dass der Einfluss des väterlichen Alters noch wesentlich größer ist, als die Zahl der mit Behinderungen geborenen Kinder vermuten lässt.
Während manche Genetiker schätzen, dass ein Viertel aller Fälle von Schizophrenie auf das Alter der Väter zurückzuführen sei, halten andere eine einzelne Genmutation des väterlichen Spermas als Auslöser – etwa auch von Autismus – für nicht ausreichend. Wenn nicht noch schwierige Lebenssituationen und andere Umweltfaktoren hinzukämen, sagen sie, sei das Risiko für die Kinder, tatsächlich zu erkranken, nur äußerst gering.
Doch egal, wer was wie einschätzt – es ist wichtig, dass Ärzte Männer darauf hinweisen, dass auch ihr Alter für die Gesundheit ihrer Kinder eine wichtige Rolle spielt. Schon aus Gründen einer gerechteren psychischen Lastenverteilung. Denn bislang lastete die Verantwortung, als »späte Mutter« eine Schwangerschaft zu riskieren und damit letztlich auch die Konsequenzen tragen zu müssen, fast ausschließlich auf den Schultern beziehungsweise dem Bauch der Frauen. Und auch Frauen sollten um die Risiken einer späten Vaterschaft wissen, wenn sie sich mit einem älteren Partner Kinder wünschen.
Nicht zuletzt geben diese biologischen Erkenntnisse den Männern selbst Argumente an die Hand, wenn sie dem Kinderwunsch ihrer jungen Frauen etwas entgegensetzen wollen: Auch Spermien haben ein Verfallsdatum, auch die fruchtbare Zeit des Mannes läuft in der Lebensmitte – eigentlich – ab.
Mit der männlichen Illusion von einer risikofreien und unbegrenzten Zeugungskraft verhält es sich so ähnlich wie mit dem verschleierten Osteoporose-Risiko: Vordergründig mag es dem Ego des Midlife-Mannes guttun, dass seine Gebrechen nicht öffentlich vorgeführt werden. Letztlich verhindert mangelnde Kenntnis der Sachlage aber, dass er sich mit den Realitäten seines Älterwerdens auseinandersetzt.
Ein Mann, der die Signale seines Körpers bewusst wahr- und ernst nimmt, könnte aber daran ablesen, dass auch auf ihn in seiner zweiten Lebenshälfte andere Aufgaben warten als die Fortpflanzung.
Für Frauen in den Wechseljahren ist es oft bitter zu erleben, dass die Natur den Männern keine solch unumstößliche biologische Grenze wie die Menopause setzt; vor allem dann, wenn Frauen keine Kinder bekommen konnten. Dann müssen sie dieses Kapitel nun ein für alle Mal für sich abschließen, ja abtrauern, während die Männer
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