Wo die coolen Kerle wohnen
Gück schon abgewöhnt.
Es ist eine viel harmlosere Story. Sie macht aber im Kleinen klar, wie selbstverständlich und egozentrisch wir Frauen unser eigenes Verhalten »normal«, »richtig« und »besser« finden. Wenn Männer sich anders gebärden, wenn sie andere Bedürfnisse ausdrücken als wir, nennen wir das meist nicht einfach »anders«, sondern halten es für »unnötig«, »übertrieben« oder gar »falsch«.
Beim After-Work-Prosecco in lockerer Freundinnenrunde erzählte also eine Frau, Mitte vierzig, Folgendes unter dem Motto »Typisch Midlife-Mann«. (An den entsprechenden Stellen muss man sich dazu ihr entnervtes Augenrollen vorstellen.)
»Der Franz, ein guter Freund um die fünfzig, hatte schlimme Rückenschmerzen. Er war darüber todunglücklich und ging, natürlich erst als er sich kaum noch bewegen konnte, endlich zum Arzt. Der sagte ihm, er würde im Rollstuhl enden, wenn er nicht sofort loslegt und trainiert. Da hat der Franz notgedrungen ein Rückentraining angefangen. Aber seither ist es furchtbar: Jedes Mal, wenn man ihn jetzt trifft, gibt es kein anderes Themamehr. Er tut so, als hätte er das Rückentraining erfunden! Er dreht und wendet sich wie ein Bodybuilder, stolziert wie ein Gockel herum. Er findet sich selber unwiderstehlich und schwärmt, dass er sich jedes Malnach dem Training fühle wie ein junger Gott! Und dann will er unbedingt, dass man ihm sagt, wie toll er das macht. Meine Güte! Wir Frauen machen seit Jahren regelmäßig unsere Gymnastik. Aber wir würden da doch kein Wort drüber verlieren, oder? Und er, der macht ein Riesenthema draus. Die machen sich immer dermaßen wichtig,die Männer, und je älter, umso schlimmer. Versteh ich nicht. Das hätten die doch gar nicht nötig!«
»Doch«, sagt der Fachmann trocken, »sie haben das nötig, vor allem in der Lebensmitte.« Matthias Stiehler (Jahrgang ’ 60) ist Männerforscher, psychologischer Berater und Buchautor in Dresden. »Männer stellen sich keineswegs blöd an oder benehmen sich affig, wie Frauen das oft einschätzen, sondern: Die Anerkennung für das, was sie tun, ist für Männer eine existenzielle Notwendigkeit.«
Von Anfang an stehe ein Mann mit seiner Sexualität unter Leistungsdruck. Denn ein Mann muss eine Leistung erbringen, um Sex haben zu können: Er muss eine Erektion hinkriegen. »Ich habe in meiner Beratungsstelle mit vielen ganz jungen Männern gesprochen«, sagt Matthias Stiehler. »Die hatten schon vor dem ›ersten Mal‹ große Angst zu versagen. Diesen Druck haben Frauen nicht. Sie müssen ihre Weiblichkeit nicht erst unter Beweis stellen. Insofern basiert die Tendenz, dass ich mich als Mann immer hervortun, dass ich mich beweisen muss, auf meiner männlichen Biologie. Ich muss als Mann zeigen, dass ich jemand bin, dass ich etwas darstelle, weil ich diese Gewissheit nicht selbstverständlich in mir trage. Deshalb schlagen Männer ihr Pfauenrad.«
Bestätigt ihm die Frau durch ihr Begehren seine (sexuelle) Leistungsfähigkeit, fühlt sich der Mann als Mann anerkannt und in seiner männlichen Identität zumindest vorläufig abgesichert. Entzieht sie ihm ihre Anerkennung, kann es bei ihm so ankommen, als würde er als ganzer Mensch abgelehnt. Manchmal kann er sich geradezu wie ausgelöscht fühlen. »Das bedeutet, die mangelnde Anerkennung oder Abwertung seiner männlichen Leistungsfähigkeit trifft ihn im Kern seines (Mann-)Seins«, sagt Matthias Stiehler. » Das geht wesentlich tiefer als das, was man landläufig ›gekränkte Eitelkeit‹ nennt.«
Es geht wohl auch tiefer, als wir Frauen gemeinhin wahrhaben wollen. Oft ist uns, weil wir anders funktionieren, gar nicht bewusst, wie tief wir unsere Männer kränken (können).
Vor diesem Hintergrund ist auch nachvollziehbar, dass es älter werdenden Männern schwer zu schaffen machen kann, wenn sie von jungen Frauen weniger wahrgenommen werden.
»Ich bin groß und breitschultrig, da haben die Mädels früher schon hingeschaut. Dass sie mich jetzt quasi übersehen, ist bitter und tut weh«, erzählte mir Rolf, 52, Finanzberater und glücklich verheirateter Familienvater.
Kränkend auch, wenn junge Frauen auf ein nur nett gemeintes Flirtangebot geradezu verstört reagieren: »Wenn ich jungen Mädchen nachschaue oder einer jüngeren Frau nur zulächele, hält man mich schon für einen alten Lustmolch oder Schlimmeres«, seufzte ein Verwandter, Geschäftsmann und dreifacher Großvater, bei der Geburtstagsfeier zu seinem Sechzigsten.
Manche
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