Wo die coolen Kerle wohnen
Midlife-Männer entwickeln einen regelrechten Selbst hass, wenn ihnen die ersehnte Anerkennung versagt bleibt und sie sich eingestehen müssen, dass sie eben doch keine »jungen Götter« mehr sind. Selbsthass, der sie, wenn auch noch beruflicher Misserfolg oder gar Arbeitslosigkeit dazukommt, in eine Depression und schlimmstenfalls sogar in den Selbstmord treiben kann.
Manche Männer schreiten zu anderen, glücklicherweise weniger schwerwiegenden Verzweiflungstaten. »Ich hasse diese Weichheit! Meinen dicklichen Bauch, die schlaffen Wangen, die dünnen ergrauten Haare«, eröffnete mir Marcel, 43, den ich vor einigen Jahren in einem Café kennengelernt habe. Es ging ihm damals rundum mies: Er musste eine berufliche Schlappe einstecken, kein Kollege, sondern – schlimmer noch – eine Kollegin war ihm vorgezogen worden. Dabei hätte er mit Anfang vierzig in seinem Job unbedingt die nächste Hierarchiestufe erklimmen müssen. Dann trennte sich auch noch seine Freundin von ihm. Und eine sportliche Figur hatte er sowieso noch nie.
An seinem nächsten Geburtstag traf Marcel eine Entscheidung: Er verlegte das Datum seiner Geburt einfach um vier Jahre nach vorn, war demnach »gerade erst vierzig geworden« und ließ sich die Haare färben.
Ab diesem Zeitpunkt rieb er mir bei jedem Treffen unter die Nase, dass ich meine Haare zu dunkel tönte (das macht alt!) oder dass ich zu weite Hosen trüge (das macht alt!). Er gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass er mich zu alt und deshalb nicht mehr attraktiv fand. Er dagegen käme als Mann wesentlich jünger rüber. Und während er sich so ausdrücklich von mir distanzierte, buhlte er um die Aufmerksamkeit jeder jungen Frau, die ihn im Café bediente oder am Nachbartisch mit einer Freundin plauderte.
Im Nachhinein erst wurde mir klar, dass ich mich wohl ein paar Mal zu oft mit dem uncharmanten Marcel getroffen hatte. Ich fand ihn als Forschungsobjekt irgendwie interessant, ärgerte mich über ihn, hegte aber die heimliche Hoffnung, dass ich ihn vielleicht doch noch umerziehen könnte.
Anzeichen des Alterns, die er bei sich selbst ablehnte, fand er auch bei mir und anderen Midlife-Frauen untragbar. Und den Zuspruch, den ihm etwa gleichaltrige, kritische Frauen wie ich, entnervt verweigerten, hoffte er bei den jungen zu finden.
Da aber gerade junge Frauen von sich aus eher weniger nach den älteren Männern gucken, strengen sich Midlife-Männer oft enorm an, um sie zu beeindrucken und ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Das sieht nicht immer gut aus. Und wenn wir selbst mit einem solchen Pfau liiert sind, gefällt es uns erst recht nicht.
Damit kommen wir zu einem Thema, das die (Frauen-)Gemüter besonders erhitzt.
Blutjung und knackig frisch
In Brasilien hat sich der Trend zur jungen Zweitfrau bereits durchgesetzt. 64 Prozent der über 50-Jährigen nehmen sich dort, nach der Scheidung von ihrer ungefähr gleich alten Frau, eine um Jahrzehnte jüngere, ergab eine Studie. Und bei den brasilianischen Männern im Alter zwischen 60 und 64 sind es sogar satte 69 Prozent, die dann eine 30-Jährige oder noch Jüngere heiraten.
Auch in Deutschland kennt fast jede Midlife-Frau in ihrem persönlichen Umfeld mindestens einen Midlife-Mann, der sich mit einer deutlich Jüngeren zusammengetan hat – oft nach der Trennung von seiner etwa gleich alten Frau. Und unter prominenten und reichen Männern scheint es bei uns ebenfalls eher die Regel als die Ausnahme zu sein, dass man sich mit jungen Frauen schmückt, die altersmäßig die Tochter und manchmal sogar die Enkelin sein könnten.
Es ist das uralte Tauschgeschäft, das zu allen Zeiten und in unterschiedlichsten Kulturen praktiziert wurde: materielle Absicherung und sozialer Status gegen jugendliche Vitalität und Schönheit. Ob es heute ein Til Schweiger ist, der sich seit Jahren immer wieder mit wechselnden, mindestens 20 Jahre jüngeren Models zeigt, ob die dritte Frau von »Mister Tagesthemen« Ulrich Wickert nun 29 Jahre jünger ist als er, der Schauspieler Claus Theo Gärtner mit einer 36 Jahre Jüngeren verheiratet ist oder Altstar Maximilian Schell mit achtzig sogar eine 48 Jahre jüngere Freundin hat.
Der Geschlechter- und Generationenforscher Gerhard Amendt befürchtet bereits, dass sich die brasilianischen Zustände auch in Deutschland durchsetzen könnten. »Was das für die Generationenbeziehungen mit sich bringt, wenn aus Einzelfällen ein Massenphänomen wird, will keiner bedenken«, schrieb er in einem Beitrag
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