Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht
gelitten ’abe. Sie war voller Blut, ihre Scheide war geschwollen und rot. Sie sieht mich an mit diesen großen Augen. ›Das wird nun jeden Freitagabend so sein‹, sagen ihre Augen zu mir. ›Selbst wenn Sie mich jetzt mitnehmen und sich um mich kümmern und ’ilfe ’olen, wird es nie mehr gut. Ich kann es niemals mehr vergessen …‹ So wie ich niemals vergessen kann.«
Yvette stieß einen leisen, hohen Klagelaut aus und begann, sich hin und her zu wiegen.
»Was hast du dann getan?«, fragte Fifi, legte den Arm um sie und zog sie fest an sich. Was sie hören wollte, war etwas, das nicht zu den Dingen passte, die sie gesehen hatte, denn sie hielt Yvette noch immer nicht für fähig, ein Kind zu töten.
»Sie ’at nicht gesprochen. Ich denke, sie stand unter Schock. Ich lege eine ’and auf ihre Stirn. Ich sage, ich werde ihr ’elfen, aber sie ist vollkommen steif, wie gelähmt. Nur ihre Augen fle’en mich an, und mir wird plötzlich klar, dass sie mich bittet, sie zu töten.«
Sie schwieg einige Sekunden lang, und als sie weitersprach, war ihre Stimme plötzlich kalt, scharf und ohne Reue. »Ich greife nach dem Kissen, und ich drücke es ihr aufs Gesicht. Sie ’at sich nicht einmal gewehrt. Sie ’at nur die ’ände ge’oben, so.«
Fifi spürte die schwache, flatternde Bewegung von Yvettes Händen, obwohl sie sie nicht sehen konnte.
»Es ging sehr schnell. Ich warte, bis sie die ’ände sinken lässt, dann nehme ich das Kissen wieder weg. Sie ist tot und wird nie wieder so leiden. Ich ge’e in den Flur ’inaus, wo der Schrank steht; ich finde ein sauberes Laken und lege es über sie. Dann gehe ich zurück in meine Wohnung.«
In ihrer Betroffenheit und ihrem Entsetzen konnte Fifi nachvollziehen, was Yvette dazu getrieben hatte. Als sie vor dem vergewaltigten Kind gestanden hatte, waren ihre eigenen schrecklichen Erfahrungen in Frankreich wieder lebendig geworden. Nachdem Yvette das erste Mal vergewaltigt worden war, hatte sie sicherlich genauso im Bett gelegen und sich den Tod gewünscht.
Was Yvette getan hatte, war, zumindest in ihren eigenen Augen, ein Akt der Barmherzigkeit gewesen. Sie hatte ein bis in die tiefste Seele verletztes Kind von seinem Elend erlöst. Sie hatte Angela gegeben, was ihr selbst verwehrt gewesen war.
»Verstehst du jetzt, warum ich nicht weiterleben will?«, brach Yvette plötzlich das Schweigen. »Diese Dinge lasten unerträglich auf meinem Gewissen, ich kann sie nicht vergessen. Und jetzt ’ast du ebenfalls Angst vor mir?«
»Nein, ich habe keine Angst vor dir«, erwiderte Fifi langsam. »Ich kann dich verstehen.«
Für eine Weile lag sie einfach nur wortlos da. Ihr war übel und schwindelig, und die Ungeheuerlichkeit des soeben Gehörten ängstigte sie. Sich vorzustellen, dass all das im Haus gegenüber passiert war! Ein siebenjähriges Kind war an den Meistbietenden verkauft worden! Wie konnte irgendeine Mutter so durch und durch schlecht sein?
»Du ’ast doch Angst«, stellte Yvette unglücklich fest.
»Nicht vor dir«, seufzte Fifi. »Ich wünschte nur, du wärst in jener Nacht oder wenigstens am nächsten Morgen zu mir gekommen und hättest mir erzählt, was vorgefallen ist. Dann wäre nichts von all dem geschehen.«
»Aber niemand kann verste’en, was so etwas für ein kleines Mädchen bedeutet«, flüsterte Yvette. »Sobald es gesche’en ist, wird es diese Kleine ihr Leben lang verfolgen, es ist in ihrem Kopf. Man ’ätte ihr ein neues Zu’ause geben, ihr ein Fahrrad und Puppen kaufen können – aber es wäre niemals wieder gut geworden.«
Fifi konnte ihr weder Recht geben noch ihre Worte bestreiten. Sie wünschte sich nur, sie wäre an dem Tag, an dem Angela bei ihr gewesen war, ihrem Instinkt gefolgt und hätte Hilfe für das Kind geholt. Aber jetzt war sie zu erschöpft, um weiter über das Thema zu reden. Angela war tot, im Stich gelassen von allen – ihren Eltern, ihren Nachbarn, ihrem Arzt und ihren Lehrern. Jeder, der ihr junges Leben berührt hatte, trug eine gewisse Verantwortung, doch es war zu spät für Schuldzuweisungen.
Sie versuchte zu schlafen, aber Yvettes Bericht ließ ihr keine Ruhe.
»Warum hat die Polizei deine Fingerabdrücke nicht sichergestellt?«, fragte sie plötzlich. Die Polizei hatte ihr, Dan, Frank und Stan die Fingerabdrücke abgenommen und wahrscheinlich auch jedem anderen in der Straße, um sie mit denen zu vergleichen, die in Nummer elf gefunden worden waren. Eins der größten Probleme der Polizei bei dieser
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