Wo die Liebe beginnt
ohne zu viel Dampf entweichen zu lassen. »Du hast es offensichtlich bis ganz nach oben geschafft«, bemerkt er, ohne mich anzuschauen. »Ich habe deine Sendung nicht gesehen, aber sie ist sicher toll. Gratuliere.«
Ich habe mir schon gedacht, dass er vielleicht von meiner Fernsehkarriere gehört hat, bin aber trotzdem überrascht, dass er sie erwähnt. »Danke«, sage ich und starre auf meine Hände. »Und was machst du so?«
»Dies und das.«
»Aha.« Ich nicke ein bisschen zu heftig dafür, dass er überhaupt nichts Konkretes gesagt hat.
»Meinst du, womit ich mein Geld verdiene?«, fragt er und vermeidet noch immer jeden Blickkontakt.
»Ja, das meinte ich wohl.«
»Dann frag doch gleich danach.«
»Okay«, sage ich und wippe mit einem Bein unter dem Tisch. »Womit verdienst du dein Geld?«
»Ich arbeite in einer Bar«, antwortet er.
Ich nicke wieder, aber dieses Mal lächele ich zusätzlich.
»So was hast du dir schon gedacht, stimmtâs?«
»Was meinst du damit?«, frage ich, obwohl ich genau weiÃ, was er damit meint.
»Hör mal, Marian. Was soll das alles?« Er schaut mir direkt in die Augen. Meine Handflächen kribbeln. Alles kribbelt. Ich leide unter emotionaler Reizüberflutung. Eine bizarre Sekunde lang sind wir wieder achtzehn, aber dann fällt mir ein, dass das nicht stimmt â Kirby ist hier diejenige, die achtzehn ist. Und das ist das Schwerste, mal abgesehen von dem, was früher passiert ist: Kirby beobachtet mich und wartet darauf, dass ich etwas in Ordnung bringe, das man eigentlich nicht mehr in Ordnung bringen kann. Jedenfalls nicht alles davon. Vielleicht auch überhaupt nichts davon. Und schon gar nicht hier an diesem Tisch bei einer Tasse Tee.
Weil ich kein Wort herausbringe, redet er weiter: »Es ist schön, dich mal wiederzusehen. Aber warum bist du hier?«
Ich schaue ihn an. Ahnt er das noch immer nicht? Er kann doch die Puzzleteile zusammensetzen: Kirbys Alter. Ihre Anwesenheit an diesem Tisch. Ihre Augen. Jetzt sehe ich zu ihr hinüber und merke, dass sie fuchsteufelswild ist. Achtzehn Jahre hat sie gewartet, und jetzt das? Ich lecke mir über die Lippen. Meine Kehle ist ausgetrocknet. Dann nehme ich einen Schluck Tee und verbrenne mir fast den Mund.
Er schüttelt den Kopf. »Ja, sie machen den Tee hier ziemlich heiÃ. Ich hätte dich vorwarnen sollen.«
»Alles in Ordnung«, sage ich mit zitternder Stimme.
Zwei Atemzüge später höre ich mich selbst zusammenhanglose Fetzen einer Entschuldigung oder einer Erklärung stammeln. Die beiden anderen glotzen mich an: Conrad verblüfft, Kirby entsetzt. Was hat sie nur für eine verwirrte Mutter?
An dem Tag damals bei dir ⦠Am letzten Tag, an dem wir uns gesehen haben ⦠da habe ich gelogen ⦠aber ich hatte solche Angst ⦠Ich habe alles falsch gemacht ⦠Es tut mir so leid, dass ich es dir nie gesagt habe ⦠Ich war schwanger ⦠und ich habe sie zur Welt gebracht ⦠Aber ich habe sie weggegeben ⦠weil ich dachte, das wäre das Richtige ⦠aber ich hätte es dir trotzdem sagen müssen ⦠Es tut mir so leid.
Als ich plötzlich verstumme, sagt er: »Moment mal. Was meinst du damit, du warst schwanger?«
»Ich war schwanger«, wiederhole ich wie eine Blöde. »Ich habe dir aber gesagt, ich wäre nicht schwanger ⦠damals, als wir bei dir waren. Aber ich warâs doch.«
»Das hast du später gemerkt?«, fragt er und blinzelt ganz verwirrt.
»Nein, ich habe es schon an diesem Tag gewusst. Im Badezimmer. Der Test war positiv. Aber dir habe ich erzählt, er wäre negativ. Ich habe dich angelogen.«
»Aber wieso denn das?«
»Ich weià nicht.«
»Du weiÃt es nicht?«
»Ich hatte Angst.«
Er nickt, akzeptiert meine Begründung aber nicht. »Dann hast du das Baby also zur Welt gebracht?«
»Ja. Aber ich habe sie zur Adoption freigegeben. Weil ich dachte, das wäre am besten. Wir waren doch noch so jung â¦Â«
»Wir?«, wiederholt er. » Wir haben nicht gewusst, dass du schwanger warst.« Seine Stimme ist schneidend.
»Ich weiÃ. Es tut mir leid.«
»Das hast du schon gesagt.«
»Ja, stimmt.« Ich schüttele den Kopf, schlieÃe die Augen und öffne sie wieder.
»Und wer hat sie dann adoptiert? Wo ist sie?«
Ich halte den Atem an. Das kann
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