Wo die Liebe beginnt
»Geheimnis« benutzt hat, als wären sie austauschbar. »Vielleicht. Ich weià es nicht genau. Ich dachte einfach ⦠es hätte keinen Sinn.«
»Du hast gedacht, es hätte keinen Sinn ?«, wiederholt er. »Keinen Sinn, einem Mann zu sagen, dass er ein Kind gezeugt hat?«
Ich versuche es mit einer neuen Sichtweise. »Ich dachte, ich würde ihm etwas ersparen.«
»Wie meinst du denn das?« Peter starrt mir in die Augen.
»Welcher Teenager will denn hören, dass er ein Mädchen geschwängert hat? Das ist doch ein Albtraum. Denk daran, wir waren achtzehn â noch Kinder.«
»Findest du denn nicht, er hätte ein Recht darauf gehabt, es zu erfahren?«
»In dieser Geschichte war ich die Einzige, die ein Recht auf irgendwas hatte.«
»Es geht nicht um das Recht auf die Entscheidung, was mit dem Baby passierte. Das war deine Sache. Aber er hatte einen Anspruch darauf, von dem Kind zu erfahren«, doziert Peter.
»Aber wenn ich das Recht gehabt habe, die Schwangerschaft zu beenden, warum soll ich dann nicht das Recht gehabt haben, das Kind wegzugeben? Welchen Unterschied hätte das für Conrad gemacht?«
»Das will ich dir gerne erklären«, sagt Peter scharf. »Die eine Variante macht ihn zum Vater, die andere nicht. Hat er denn nicht das Recht, von seinem eigenen Kind zu erfahren? Ich an seiner Stelle ⦠Das könnte ich mir nicht mal theoretisch vorstellen.«
»Aber wir wollten doch nicht heiraten und eine Familie gründen. Ich wollte aufs College. Und er nicht.«
»Ja, ich hab schon kapiert, dass er ein Loser war, der keine Zukunft hatte.«
»Er war kein Loser«, widerspreche ich. Komisch, dass ich ihn jetzt verteidige â ich war ja diejenige, die ihn mies behandelt hat. »Wir waren bloà unterschiedlich. Wir wollten unterschiedliche Dinge. Aber keiner von uns wollte ein Kind.« Ich beiÃe mir auf die Unterlippe. Es gibt nichts, das ich zu meiner eigenen Verteidigung vorbringen könnte, aber ich probiere es trotzdem. »Ich habe dafür gesorgt, dass Kirby ein solides, liebevolles Elternhaus bekommt. Das hätte er ihr alleine nicht bieten können. Sein Vater war Alkoholiker. Er war pleite. Und ja, er hatte keine Zukunft. Was, wenn er sie aus irgendeinem Grund hätte behalten wollen? Was hätte ich dann gemacht?«
»Ich weià nicht«, entgegnet Peter und schüttelt den Kopf. »Dann hättest du wohl eine Entscheidung treffen müssen.«
»Das habe ich ja getan. Und es war die richtige, für alle Beteiligten«, sage ich. Zum ersten Mal frage ich mich aber, ob das tatsächlich stimmt.
Einen Moment später â ein schlechteres Timing ist nicht denkbar â höre ich Robins Stimme im Flur. Typisch. Es ist ihr Markenzeichen, zu früh oder am besten völlig unerwartet aufzutauchen. Vielleicht will sie damit Peter ärgern, oder mich.
»Mist, die beiden sind eine Dreiviertelstunde zu früh«, bemerkt Peter. Es sieht mich versöhnlich an: »Tut mir leid.«
Ich nicke und überlege kurz, ob ich mich in Peters Schlafzimmer verstecken soll, reiÃe mich aber zusammen. Robin rauscht herein, ohne anzuklopfen, Aidan im Schlepptau. Peter steht auf, lächelt und schlägt die Hand seines Sohnes ab â High Five! Dann verwuschelt er Aidans Ponyfrisur, die so gar nicht zu ihm passen will.
»Wann lässt er sich endlich die Haare schneiden?«, fragt Peter Robin.
»Das ist der aktuelle Look, Peter«, erklärt Robin. »Du arbeitest doch beim Fernsehen, du solltest das wissen.«
»Hi, Aidan«, sage ich.
»Hi, Marian«, grüÃt Aidan höflich zurück und schüttelt sich das Haar aus den Augen. Er ist ein lieber, gut erzogener Junge, aber wir werden leider nicht richtig warm miteinander. Vielleicht, weil wir uns so selten sehen. Schenkt man Robin Glauben, die ständig über den vollen Terminkalender ihres Exmanns klagt, sieht Peter seinen Sohn allerdings auch nicht gerade sehr oft.
Robin stellt ihre Handtasche und zwei Einkaufstüten auf den Boden und setzt sich erschöpft stöhnend mir gegenüber. Ihr schokoladenbrauner Wildlederrock ist ziemlich kurz und entblöÃt ihre gestählten und gebräunten Beine. Irgendwie kriegt sie es hin, Sex-Appeal zu verströmen und sich gleichzeitig haarscharf an der Grenze des guten Geschmacks zu bewegen. Peters Schwester hat einmal über Robin gesagt, wenn
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